EXC 2060 A3-17 - Transkulturelle Verflechtungen und Entflechtungen in der jüdischen Apokalyptik

Projektzeitraum
Projektstatus
Laufend
Mittelgeber
DFG - Exzellenzcluster
Förderkennzeichen
EXC 2060/1
  • Beschreibung

    Das Forschungsprojekt widmet sich den Beziehungen der jüdischen Apokalyptik zu vorderorientalischen, griechischen und römischen Texten und Traditionen. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass die früher gängige Deutung der Apokalyptik als antihellenistischer Widerstandsbewegung einer Differenzierung bedarf. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus einer revidierten Chronologie apokalyptischer Schriften, der zufolge die ältesten jüdischen Apokalypsen nicht die um die Makkabäerzeit entstandenen sind, sondern das Wächterbuch und das Astronomische Buch, die spätestens ab dem 3. Jh. v. Chr. anzusetzen sind. Ferner finden sich in zahlreichen Apokalypsen Aspekte von Hybridität und Mimikry. Die frühjüdische Apokalyptik lässt sich nur durch ihre Teilhabe an den Mythen und Vorstellungen der vorderorientalischen, griechischen und römischen Traditionen verstehen, bei der sich einerseits Aneignung im Sinn kultureller Verflechtung, andererseits aber auch partikular-abgrenzende Weiterentwicklung beobachten lässt. 

    Das Forschungsprojekt stellt sich die Aufgabe, diese transkulturellen Verflechtungen und Entflechtungen anhand der antiken jüdischen Apokalypsen differenziert zu erfassen und zu interpretieren. Dabei sollen zum einen vergleich­bare narrative und hermeneutische Motive, Strukturen und literarische Strategien, die in jüdischen Apokalypsen und in benachbarten Literaturen begegnen, systematisch erfasst und beurteilt werden. Zum andern soll geklärt werden, in welcher Weise sich die Apokalyptik selbst als ein transkulturelles Phänomen zu erkennen gibt. 
    Dafür werden in der ersten Projektphase nur die mit hinlänglicher Wahrscheinlichkeit als (im Grundbestand) jüdisch zu erweisenden Apokalypsen vom Beginn der jüdischen Apokalyptik um 300 v. Chr. bis zum Abschluss der großen jüdischen Apokalypsen um 150 n. Chr. berücksichtigt werden. Diese zerfallen in drei Gruppen: eine frühe Gruppe (3./2. Jh. v. Chr.) mit dem Wächterbuch (1Hen 1–36) und dem Astronomischen Buch (aramäische Fragmente zu 1Hen 72–82); eine mittlere Gruppe (2. Jh. v.–1. Jh. n. Chr.) mit Daniel 7–12, den Traumvisionen Henochs mit Tier-Apokalypse (1Hen 83–90), der Epistel Henochs mit Zehnwochen-Apokalypse (Hen 91–105), dem Jubiläenbuch, der „Geburt Noahs“ (1Hen 106–107) und der „Eschatologischen Ermahnung“ (1Hen 108) sowie Fragmenten von Apokalypsen aus Qumran und – als Nachzügler – den Gleichnisreden Henochs (1Hen 37–71); schließlich eine späte Gruppe (1.–2. Jh. n. Chr.) mit dem 4. Esrabuch, dem 2. Baruchbuch, der Apokalypse Abrahams sowie – aus der Diaspora – dem 2. Henochbuch, dem jüdischen Kern des 3. Baruchbuchs und dem Testament Abrahams. Auch die jüdischen Sibyllinen – eine Sonderform apokalyptischer Literatur aus der Diaspora – sind hier heranzuziehen (Bücher 3–5, 11, der jüdische Grundbestand von Buch 1). 
    Das Forschungsprojekt soll als Kooperationsprojekt mit dem Bible Department / Mandel Institute of Jewish Studies der Hebrew University of Jerusalem (Prof. Dr. Michael Segal) durchgeführt werden. In Münster werden die Apokalypsen der frühen und der späten Gruppe untersucht, in Jerusalem diejenigen der mittleren. 
    Das Projekt umfasst ferner eine Digital Humanities-Komponente: Zur Absicherung der textlichen Grundlage soll zunächst für eine zentrale Apokalypse eine digitale Edition erstellt werden, wobei sich aufgrund der komplexen Textüberlieferung, für die eine digitale Edition erhebliche Vorzüge bietet, sowie der Vorarbeiten des Projektleiters das 4. Esrabuch nahelegt.
  • Personen

  • Promotionen

    Florian Neitmann, Mag. Theol.

     

    Promotion

    The Law in the Fourth Book of Ezra

    Betreuer
    Professor Dr. Lutz Doering
    Promotionsfach
    Evangelische Theologie
    Abschlussgrad
    Dr. theol.
    Verleihender Fachbereich
    Fachbereich 01 – Evangelisch-Theologische Fakultät
    Das Dissertationsprojekt untersucht den Begriff des Gesetzes im 4. Esrabuch in transkultureller Perspektive. Nach dieser jüdischen Apokalypse, die um das Jahr 100 n. Chr. verfasst wurden, werden alle Menschen danach gerichtet, ob sie „das Gesetz" gehalten haben. Leitfrage der Arbeit ist, was sich unter diesem Gesetz verstehen lässt.
    Hierzu wird das 4. Esrabuch in seinen verschiedenen Versionen exegetisch analysiert. Um die Hintergründe der Gesetzesauffassungen dieser Schrift zu erhellen, wird es anhand von Vergleichen mit jüdischen und nichtjüdischen Quellen kontextualisiert. Im Fokus dieser vergleichenden Quellenanalyse stehen universalistische Gesetzeskonzeptionen, wie sie sich in weisheitlichen Texten altorientalischer Provenienz und in griechischer und römischer Philosophie äußern, z. B. der Vorstellung eines natürlichen, in der Vernunft angelegten Gesetzes.
    Damit leistet die Studie einen Beitrag zur Wahrnehmung jüdischer Apokalyptik in ihren transkulturellen Verflechtungen und Individuationen sowie zu einer Verhältnisbestimmung zwischen universalistischem und partikularistischem Denken im antiken Judentum.