„Poetik der Totenklage“
Der Mediävist Dr. Andrea Ghidoni von der Universität Macerata erarbeitet am Exzellenzcluster im Rahmen eines PRIME-Stipendiums des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) eine „Poetik der Totenklage“. Das Forschungsvorhaben zielt darauf ab, das literarische Motiv der Totenklage semiologisch, historisch und anthropologisch zu analysieren. Dr. Ghidoni ist seit dem Sommersemester 2021 auf Einladung des Mittelalter-Historikers Prof. Dr. Gerd Althoff am Exzellenzcluster.
„In einer mittelalterlichen Totenklage, lateinisch ‚planctus‘, beklagt ein Trauernder einen Verstorbenen durch Formeln oder konventionelle Gesten, die von Fall zu Fall wiederholt werden“, erläutert Dr. Andrea Ghidoni. Dazu gehörten etwa das Ausreißen von Bart und Haaren oder die Aufzählung der Unternehmungen des Verstorbenen. Zwar handele es sich dabei um traditionelle literarische Formen, die nicht unmittelbar reale Rituale und Praktiken widerspiegelten, es ließen sich aber anthropologische Strukturen freilegen.
Mittelalterliche Totenklage
„Planctus findet sich in allen Kulturen des europäischen Mittelalters und kommt im mittelalterlichen Latein und in den verschiedenen romanischen und germanischen Sprachen vor“, so Ghidoni. „Der Forschungsansatz zielt darauf ab, die Hauptstrukturen des planctus in den verschiedenen literarischen Gattungen und sprachlichen Ausdrücken zu identifizieren.“ Der Wissenschaftler sucht nach gemeinsamen Mustern und analysiert, wie die literarische Anwendung dieses kulturellen Themas je nach Kontext, literarischer Gattung und den an der Trauer beteiligten Personen (Trauernde und Betrauerte) variieren kann.
Das Projekt trägt den Namen „The Funerary Lament in Medieval Literature: Models and Archetypes Between Literature, Religion and Anthropology“ (Die Totenklage in der mittelalterlichen Literatur: Modelle und Archetypen zwischen Literatur, Religion und Anthropologie) und wird im Rahmen des DAAD-Programms „Postdoctoral Researchers International Mobility Experience“ (PRIME) gefördert. Das Programm unterstützt die internationale Mobilität in der Postdoktorandenphase durch befristete Stellen an deutschen Hochschulen. Die Förderung umfasst eine zwölfmonatige Auslandsphase und eine sechsmonatige Integrationsphase an einer deutschen Hochschule. (maz/sca)