„Zugehörigkeit und Abgrenzung“
Erstes Themenjahr am Exzellenzcluster untersucht Zusammenleben in pluralen Gesellschaften
Das erste Themenjahr des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der WWU steht unter dem Titel „Zugehörigkeit und Abgrenzung. Dynamiken sozialer Formierung“. Das Jahresprogramm im Winter- und Sommersemester 2020/21 wendet sich der Frage zu, wie unterschiedliche soziale Gruppen in politisch, kulturell, ethnisch und religiös pluralen Gesellschaften zusammenleben, wie die Zugehörigkeit zu Gruppen und Vorstellungen von Identität entstehen, wie Konflikte reguliert werden und sozialer Ausgleich zustande kommt.
An den Vortrags- und Dialogveranstaltungen, deren Beiträge von der Antike bis heute reichen, beteiligen sich nicht nur Mitglieder des Exzellenzclusters aus vielen Fächern und Forschungsprojekten, sondern auch Gäste aus anderen Forschungseinrichtungen und aus der Politik. Beteiligt sind Disziplinen wie die Soziologie, Rechts-, Geschichts- und Politikwissenschaften sowie Psychologie, Philosophie, Theologie und Ethnologie.
„Zugehörigkeit ist sowohl eine sozialstrukturelle Kategorie, mit deren Hilfe sich religiöse, soziale oder regionale Gruppen voneinander abgrenzen lassen, als auch ein Vorstellungsgehalt, den Gruppen und ihre Vertreter von sich selbst entwerfen“, erläutern der Rechtshistoriker und Sprecher des Exzellenzclusters Prof. Dr. Nils Jansen und der Religionssoziologe und stellvertretende Sprecher Prof. Dr. Detlef Pollack. Welche Welt- und Selbstdeutungen soziale Gruppen entwickeln und wie sie sich im Zeitverlauf verändern, hänge stark von äußeren Faktoren ab, etwa von politischen Machtverhältnissen oder auch von externen Perspektiven. „Das Wechselverhältnis zwischen dem Selbstverständnis einer Gruppe und ihrer Fremdwahrnehmung ist geprägt von Konflikten, Spannungen und Kämpfen um Deutungshoheit.“
Es sind diese Spannungen, aus denen sich die Dynamik der Formierung sozialer Gruppen erklärt. Unterscheiden lässt sich dabei zwischen Gruppen, Gemeinschaften und Gesellschaften, die gegenüber ihrer jeweiligen Umwelt besonders aufgeschlossen sind, und solchen, die sich von ihrer Umwelt stärker abgrenzen.
Ringvorlesung, Forschungsvorhaben, Gesprächsreihe
Das Veranstaltungsprogramm, das im Laufe des Jahres durch weitere Inhalte und mediale Formate ergänzt wird, beginnt mit der Ringvorlesung „Imperien und Zugehörigkeiten“, die die sozialen Dynamiken an Fallbeispielen vom Altertum bis zum 20. Jahrhundert beleuchtet. Hierzu sprechen etwa Herfried Münkler, Brigitte Reinwald, Wolfgang Reinhard und Lora Wildenthal. Es folgen Veranstaltungen zu einem der großen interdisziplinären Forschungsvorhaben des Exzellenzclusters über Bedrohung, Zugehörigkeit und Demokratieakzeptanz in Europa mit dem Untertitel „Eine neue religiös konnotierte Konfliktlinie in Europa?“. Dabei spricht auch der Inhaber der Hans-Blumenberg-Gastprofessur des Exzellenzclusters im Sommersemester 2021, der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Marc Helbling aus Mannheim, vor dem Hintergrund seiner Forschungen zu Integration, Xenophobie und der dynamischen Rolle von Religion.
Die Gesprächsreihe „Gesellschaftliche Zugehörigkeit und politische Abgrenzung“ rückt das politische Handeln und den Diskurs von heute ins Zentrum. Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Politik kommen ins Gespräch über Abgrenzung im demokratischen System, Integration und Populismus. (exc/sca/vvm)