„Die Liebe verdrängt die Gewalt“
Kunsthistorikerin Eva-Bettina Krems über langlebige Motive des Friedens in der Kunst von der Antike bis heute – Taube, Regenbogen oder der Sieg der Liebe: Künstler greifen auf immer wiederkehrende Motive zurück – Kriegsschrecken als wirkmächtiges Argument für den Frieden – International ausgewiesene Forscher werden kommende Woche zur Friedens-Tagung des Exzellenzclusters erwartet – Öffentliche Vorträge – Teil der Ausstellung „Frieden“ an fünf Orten in Münster
Pressemitteilung des Exzellenzclusters vom 18. Mai 2018
Künstler haben von der Antike bis heute laut Wissenschaftlern immer wieder auf dieselben Symbole und Metaphern zur Darstellung des Friedens zurückgegriffen. „Taube oder Regenbogen, Kuss oder Umarmung, Friedensmahl, Kriegsschrecken oder der Sieg der Liebe über die Gewalt: Künstlerische Darstellungen des Friedens haben lange Traditionslinien“, sagt die Kunsthistorikerin Prof. Dr. Eva-Bettina Krems vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster, die darüber kommende Woche mit internationalen Forschern auf der Tagung „FRIEDEN. Theorien, Bilder und Strategien von der Antike bis heute“ des Forschungsverbundes in Münster spricht. „Schon das antike Theater zeigt, wie die Liebe die Gewalt verdrängt. Dieses Friedensmotiv wiederholt sich in der Kunst der Frühneuzeit genauso wie in Medienmotiven der Moderne.“ In der griechischen Komödie „Lysistrata“ etwa zwingen Frauen aus Athen und Sparta ihre Ehemänner durch sexuelle Verweigerung zum Frieden. In der römischen Mythologie bewegt die Liebesgöttin Venus den Kriegsgott Mars mit ihren Verführungskünsten dazu, die Waffen abzulegen – bis ins 19. Jahrhundert ein beliebtes Motiv der Friedensdarstellung“, so Prof. Krems. „,Make Love, Not War'“ hieß es in den 1960er Jahren im Protest gegen den Vietnamkrieg. John Lennon und Yoko Ono griffen das in ihren „Bett-Happenings“ auf. Seither prägt das Motto ‚Make Love, Not War‘ Friedenskampagnen weltweit."
Die Tagung ist Teil des Ausstellungsprojektes „Frieden. Von der Antike bis heute“ an fünf Orten in Münster. Im LWL-Museum für Kunst und Kultur zeugen Werke namhafter Künstler wie Peter Paul Rubens, Eugène Delacroix, Wilhelm Lehmbruck, Käthe Kollwitz und Otto Dix von künstlerischen Strategien, das Ideal einer aggressionsfreien Welt zu vermitteln. Idee und Konzept der Ausstellung entstanden aufgrund langjähriger Untersuchungen am Exzellenzcluster zum Frieden.
Grausame Kriegsschrecken
„Häufig zeigten Künstler die grausamen Schrecken des Krieges, um das Ideal des Friedens zu beschwören“, so die Kunsthistorikerin. Diese bis heute anhaltende Tradition lässt sich eindrücklich in den Werken des flämischen Malers Peter Paul Rubens (1577–1640) erkennen: „Rubens war gelegentlich Unterhändler bei Friedensverhandlungen und kommentierte im Dreißigjährigen Krieg ab 1616, wie viele andere Künstler der vormodernen Epochen, laufende Verhandlungen im Bild und überhöhte erzielte Friedensschlüsse triumphal“, so Krems. „Die realpolitischen Verhältnisse und die Kriegswirklichkeit konnten den Optimismus allerdings dämpfen: In den 1630er Jahren führte Rubens in seinen Werken die verheerende Wirkung des Krieges und den Pessimismus dieser Jahre vor Augen.“ Die Ölskizze „Allegorie auf den Krieg“ zeigt eine Frau, die am Rande einer Schlacht inmitten von Toten auf dem Boden sitzt und am Krieg zu verzweifeln scheint.
In der Kunstgeschichte führte der Weg von Rubens über Francisco de Goyas Grafiken „Desastres de la guerra“ (1810–1814) letztlich zu den drastischen Darstellungen der Kriegsgräuel von Otto Dix (1891–1969) im Angesicht der Zerstörung im Ersten Weltkrieg. „Auch ohne genaue Kenntnis der jeweiligen Zeitumstände, in denen die Künstler ihre Werke schufen, beeindrucken der politische und damit auch anklagende Bezug dieser Werke." Die künstlerischen Bemühungen um einen Frieden erreichen ihre größtmögliche Wirkmacht über die Darstellung der verheerenden Folgen des Krieges. „Eine häufige Aussage frühneuzeitlicher Darstellungen ist auch die Zerbrechlichkeit des Friedens“, fügt die Kunsthistorikerin an. In dem bekannten Gemälde „Mars und Venus“ des italienischen Malers Paolo Veronese aus den 1570er Jahren sehen der römische Kriegsgott und die Liebesgöttin zunächst aus wie ein harmonisches Liebespaar. „Doch die Verbindung von Mars und Venus ist äußerst fragil und das Pferd des Kriegsgottes wird nur mit Mühe von einem Cupido, einem kleinen Engel, zurückgedrängt.“
Für die meisten allegorischen Darstellungen des Friedens liefern antike Mythen oder die Bibel die Bildvorlage: Spätere Epochen verstärkten ihre Aussage, indem verschiedene Allegorien verkettet wurden, im Mittelalter und in der Frühneuzeit häufig Frieden und Gerechtigkeit – Pax und Justitia. „Der italienische Maler Battista Dossi schuf im 16. Jahrhundert für den Herzog von Ferrara fast lebensgroße Porträts von Pax und Justitia. Die Figur des Friedens hält in einer Hand eine Fackel zum Verbrennen von Waffen, ihre andere Hand umfasst ein Füllhorn mit Früchten, blühenden Zweigen und Getreideähren (Abb. 2). „In dieser Zeit galt Pax ohne Justitia als ungerechter Frieden, lediglich als momentane Waffenruhe“, so Prof. Krems. Insofern zeigen die Gemälde die komplementären Leitbilder der damaligen Staats- und Regierungskunst.
Päpste und ihre Inszenierung des Friedens
Auch Papst Gregor XIII. ließ sich zusammen mit Allegorien von Frieden und Gerechtigkeit abbilden, die ihn als Friedensfürst auswiesen, obwohl er im Jahr 1572 das Massaker an den Hugenotten in der Bartholomäusnacht gutgeheißen hatte. „Dass die Allegorien von Pax und Justitia die autoritäre Staatslenkung legitimierten, erschien im Kontext der Gegenreformation schlüssig, denn in dieser Zeit zweifelte man, ob Friedensschlüsse über Konfessionsgrenzen möglich wären“, so Prof. Krems, die auf der Tagung des Exzellenzclusters über die mediale Inszenierung des Friedens durch die Päpste im 16. und 17. Jahrhundert spricht.
„An den Beispielen des Regenbogens und der Taube lässt sich verfolgen“, so Prof. Krems, „wie langlebig Friedenssymbole sind, zugleich aber von Künstlern im Laufe der Jahrhunderte immer wieder mit neuem Sinn gefüllt werden.“ Die Taube mit einem Olivenzweig im Schnabel kündigt Noah im Alten Testament das Ende der Sintflut an, während der Regenbogen den neuen Bund zwischen Gott und Menschen symbolisiert. „Als der deutsche Künstler Otto Piene in den späten 1960ern in seinen spektakulären ‚Sky Art‘-Events aufblasbare Regenbögen in den Himmeln über Moskau, New York, Rom und Paris aufsteigen ließ, ging es ihm nicht mehr um die christliche Semantik dieses Zeichens, sondern um das längst säkularisierte Bild des Regenbogens als Symbol für weltumspannenden Frieden“, so Prof. Krems. In der Ausstellung im LWL-Museum für Kunst und Kultur sind Siebdrucke von Otto Piene mit dem Titel „Pax“, Frieden, zu sehen, die an die ‚Sky Art‘-Events erinnern. (Abb. 3). „Die Popularisierung der Kunst wie auch der Friedensbewegung trugen dazu bei, dass Symbole wie die Taube oder der Regenbogen semantisch weiter reduziert und als Symbole besser lesbar wurden“, führt die Kunsthistorikerin aus. (asc/sca/vvm)
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