Was der älteste Friedensvertrag der Welt uns lehrt

Heutige Friedenssymbole reichen bis in die Antike zurück – Trotz Kriegsverherrlichung waren Friedensbilder laut Archäologen gerade im Krieg weit verbreitet – Ältester Friedensvertrag belegt langjährige Verhandlungen statt triumphalem Sieg – Golden glänzende Eirene-Bronzestatue erstmals zu sehen – Internationale Friedens-Tagung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ im Mai zeigt neue Forschungen – Ausstellung „Frieden. Von der Antike bis heute“ an fünf Orten in Münster

Pressemitteilung des Exzellenzclusters vom 23. April 2018

Ältester Friedensvertrag, um 1259 vor Christus
© Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer

Der älteste erhaltene Friedensvertrag der Welt widerlegt Archäologen zufolge die verbreitete Vorstellung, die Antike habe Frieden nicht durch Verhandlungen, sondern stets durch Demütigung der Verlierer herbeigeführt. „Ägypter und Hethiter sicherten sich in dem Vertrag vor mehr als 3.200 Jahren gegenseitig Unterstützung zu, keiner triumphierte. Dem müssen viele Aushandlungen vorangegangen sein, dies bezeugt eine umfangreiche Korrespondenz zwischen den Herrschern“, so Direktor Prof. Dr. Achim Lichtenberger und Kustos Dr. Helge Nieswandt vom Archäologischen Museum der Universität Münster. „Zwar dominiert in Friedensbildern der Antike der ‚Siegfrieden‘ gegenüber dem ‚Versöhnungsfrieden‘, doch unsere Forschungen zeigen, dass es auch letzteren gab.“ Das Museum präsentiert ab 28. April im Ausstellungsprojekt „Frieden. Von der Antike bis heute“ eine Kopie des ältesten Vertrags aus dem Berliner Pergamonmuseum (Abb. 1). Eine weitere Kopie hängt im Gebäude der Vereinten Nationen in New York.

Die Forscher des Museums und des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ räumen mit weiteren Klischees auf: Eine Vielzahl an Friedensbildern entstand nicht in Friedens-, sondern in Kriegszeiten, etwa die römische Friedensgöttin Pax auf unzähligen Münzen. „Trotz der Kriegsverherrlichung der Antike, die es ohne Zweifel gab und uns befremdet: Bilder vom Ideal des Friedens waren gerade im Krieg verbreitet“, so Nieswandt. Er zeigt die „Inflation des Friedens“ auf Münzen (Abb. 2) am 23. Mai auf der Tagung „FRIEDEN. Theorien, Bilder und Strategien von der Antike bis heute“ des Exzellenzclusters, die Teil des Ausstellungsprojektes ist.

Erstmals zeigt das Museum in der Ausstellung mit dem Titel „Eirene – Pax. Frieden in der Antike“ auch eine bronzefarbene Kopie der berühmten Friedens-Gottheit „Eirene“ des Bildhauers Kephisodot (Abb. 3). Sie symbolisiert, dass Frieden Wohlstand bringt. Prof. Lichtenberger: „Trotz Verherrlichung des Kriegs wusste die Antike immer, dass nicht Krieg, sondern Frieden zum Reichtum führt.“ Dieses Ideal verdeutlichen auch viele weitere der 160 antiken Ausstellungsexponate, etwa Abbildungen von Botenstab, Handschlag und Getreideähren (Abb. 4). „Sie zeigen, wie stark unsere heutigen abendländischen Friedenssymbole in antiken griechischen und römischen Bildern verankert sind und sich über Jahrhunderte wiederholten. Die antiken Abbildungen sind uns daher oft vertraut.“

Bronzefarbene Friedensgöttin und Tauben im Tier-Idyll

Sogar das heute bekannteste Friedenssymbol, die Taube, entstammt der Antike, so Lichtenberger. Die Herleitung sei aber nicht linear: „Die Taube an sich steht in der Antike nicht für Frieden. Sie war aber eng mit Aphrodite, der Göttin der Liebe, verbunden und taucht in Tier-Idyllen auf, in denen das friedliche Miteinander von Tieren den Frieden repräsentierte. So wurde die Taube als Friedenssymbol für Christen anschlussfähig.“ Wie weit die antiken Symbole in spätere Jahrhunderte hineinreichen, zeigt auch eine Friedensallegorie in antiker Tradition mit Füllhorn und Hermesstab aus dem Jahr 1659 des flämischen Malers Theodoor van Thulden. „Der Hermesstab verlieh nach antiker Vorstellung seinem Träger diplomatische Immunität“, so Nieswandt. „Dass die Göttin Pax ihn auf zahlreichen antiken Darstellungen trägt, unterstreicht erneut die Bedeutung des Verhandlungsfriedens auch für die Antike.“ (Abb. 5)

Zu den zahlreichen Münz-Darstellungen der Friedensgöttin „Pax“ (Abb. 2) führt Helge Nieswandt aus: Sie wurde besonders oft in kriegerischen Zeiten auf dem ersten Massenmedium der Menschheit, auf Münzen, gezeigt, weil Herrscher damit der Realität ein Ideal entgegensetzten. Der Forscher wird dies im Tagungsvortrag am 23. Mai an einem Beispiel der römischen Antike zeigen: „Als die Ordnung des römischen Reiches im 3. Jahrhundert nach Christus zerbrach, und sich meist kurzlebige Soldatenkaiser ablösten, kam es zur ‚Inflation des Friedens‘ auf Münzen.“ Die Forscher sehen dies als Beispiel von vielen dafür, dass die Menschen in allen Jahrhunderten Sehnsucht nach Frieden äußerten und bildlich darstellten, ihn auf Dauer aber nicht zu sichern vermochten. Dieser Leitgedanke prägt die Ausstellung „Frieden. Von der Antike bis heute“.

Zur bronzefarbenen Kopie der Eirene des Kephisodot erläutern die Wissenschaftler, dass es sich um eine Statue handelt, deren griechisches Original aus dem 4. Jahrhundert vor Christus nicht mehr erhalten ist, deren Popularität und Aussehen aber zahlreiche römische Kopien bezeugen. Die Friedensgöttin Eirene hält einen Ploutos-Knaben, Personifizierung des Reichtums, im Arm. Das Archäologische Museum hat die Kopie dieser mit 2,05 Metern überlebensgroßen Darstellung bei einem Restaurator in Auftrag gegeben und wird sie zur Ausstellungseröffnung am 28. April erstmals öffentlich zeigen. „Die golden glänzende Bronze ist nach unseren Untersuchungen nur eine Möglichkeit von mehreren farbigen Fassungen, sie ist aber in jedem Fall einleuchtender als das Weiß des Gipses. Die Münsteraner Rekonstruktion ist als Impuls zu verstehen, die Statue anders als bislang zu sehen.“ (sca/vvm)

Fotos

Ältester erhaltener Friedensvertrag zwischen Ramses II. und Ḫattušili III., circa 1259 vor Christus
Ältester erhaltener Friedensvertrag zwischen Ramses II. und Ḫattušili III., circa 1259 vor Christus
© Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum, Foto: Olaf M. Teßmer
  • Münzhaufen mit römischen Münzen, auf denen die Friedensgöttin dargestellt ist, 3. Jahrhundert nach Christus
    © Archäologisches Museum der Uni Münster, Foto: Robert Dylka
  • Eirene des Kephisodot, 375/74 v. Christus, bronzefarbene Kopie
    © Archäologisches Museum der Uni Münster, Foto: Robert Dylka
  • Römische Münze mit Ähren und Handschlag aus dem Bürgerkriegsjahr 68 n. Chr.
    © Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, 18228354, Foto: Dirk Sonnenwald
  • Pax mit Hermesstab, 80 nach Christus
    © Archäologisches Museum der Uni Münster, Foto: Robert Dylka

Tagung „FRIEDEN. Theorien, Bilder und Strategien von der Antike bis heute“

International ausgewiesene Forscherinnen und Forscher widmen sich auf der öffentlichen Tagung des Exzellenzclusters vom 22. bis 25. Mai 2018 in Münster in 21 Vorträgen der Frage, warum Menschen zu allen Zeiten den Frieden wünschten, seine Bewahrung auf Dauer aber nie gelang. Anhand vieler historischer Beispiele der europäischen Geschichte befassen sie sich mit Strategien, Verhaltensmustern und Verfahren, mit denen sich Menschen von der Antike bis heute um Herstellung und Wahrung des Friedens bemühten. Sie richten das Augenmerk darauf, wie viele der Bilder, Rituale und Strategien zeitüberdauernd Geltungskraft behielten. Zugleich zeigen sie zeittypische Veränderungen und ihre Ursachen auf. Alle Vorträge finden im Auditorium des LWL-Museums für Kunst und Kultur, Domplatz 10, in Münster statt.

Zentrale Themen der Tagung stellt der Exzellenzcluster in den nächsten Wochen in Web und Medien multimedial vor. Die Tagung ist Teil der Ausstellung „Frieden. Von der Antike bis heute“, die die Themen in einer Vielzahl von Exponaten an fünf Orten in der Stadt des Westfälischen Friedens vom 28. April bis 2. September 2018 präsentiert. Aufgrund der langjährigen Untersuchungen am Exzellenzcluster zum Thema Frieden entstanden Idee und Grundkonzept des Ausstellungsprojekts. (asc/vvm)

Programm

Dienstag, 22.05.2018
18:15

Begrüßung | Prof. Dr. Johannes Wessels, Rektor der WWU Münster | Dr. Hermann Arnhold, Direktor des LWL-Museums für Kunst und Kultur

„Wars Begin in the Minds of Men“. Eine modernisierungstheoretische Fußnote zum Thema
Prof. Dr. Detlef Pollack, Sprecher des Exzellenzclusters „Religion und Politik“, Münster

19:00 Eröffnungsvortrag | Vertrauensbildung. Zur Geschichte einer elementaren Strategie der Friedensherstellung
Gerd Althoff, Münster
Mittwoch, 23.05.2018
09:00–10:00 Intellektuelle gegen Politiker: Von Friedenssehnsucht zu Friedenspolitik in der griechisch-römischen Antike
Kurt Raaflaub, Brown University (USA)
10:00–11:00 Friede in der Bilderwelt der Griechen
Marion Meyer, Wien
11:30–12:30 Ausgeprägter Frieden? Eirene/Pax in der antiken Münzprägung
Helge Nieswandt, Dieter Salzmann, Münster
14:00–15:00 Friede in der mittelalterlichen Heldenepik
Jan-Dirk Müller, München
15:00–16:00 „Hineingestoßen in den Frieden“: Grenzen mittelalterlicher Friedensdiskurse bei Meister Eckhart, Marguerite Porete und Nikolaus Cusanus
Susanne Köbele, Zürich
16:30–17:30 Pax universalis – tranquillitas civitatis: Die politische, theologische und philosophische Bedeutung des Friedensgedankens bei Dante
und Marsilius von Padua
Ruedi Imbach, Paris
17:30–18:30 Friede als Thema der Bildkünste
Wolfgang Augustyn, München
Donnerstag, 24.05.2018
09:00–10:00 Ewiger Friede und gerechter Krieg in der politischen Philosophie der Neuzeit
Ludwig Siep, Münster
10:00–11:00 Neuordnung Europas? Friedensikonografie und Bildpolitik am Wiener Kongress (1814/1815)
Werner Telesko, Wien
11:30–12:30 Entstehung und Entwicklung des „Kriegsschuldparagraphen“ im Versailler Vertrag
Gerd Krumeich, Düsseldorf
14:15–15:15 Papsttum und Frieden im Mittelalter
Claudia Zey, Zürich
15:15–16:15 Mediale Inszenierung der Pax Christiana: Die Päpste im 16. und 17. Jahrhundert
Eva Krems, Münster
16:45–17:45 Frühneuzeitliches Völkerrecht und internationale Friedensverträge
Christina Brauner, Bielefeld
17:45–18:45 „Entrüstet Euch“: Frieden und soziale Bewegungen
Hans-Ulrich Thamer, Münster
20:15 Abendvortrag | Friedensnorm und Sicherheitspolitik: Grundprobleme frühneuzeitlicher Friedensstiftung am Beispiel des Westfälischen Friedens
Christoph Kampmann, Marburg
Freitag, 25.05.2018
09:00–10:00 Friedensschlüsse und Friedlosigkeit, 1945–1990
Jost Dülffer, Köln
10:00–11:45

„Nie wieder!“ Nie wieder? Verantwortung zum Schutz vor Krieg und Massengewalt
Winfried Nachtwei, Münster

Frieden und Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert
Eckart Conze, Marburg

12:00–13:00 Reden für den Frieden: Der Friedenspreis des deutschen Buchhandels und seine Öffentlichkeit
Martina Wagner-Egelhaaf, Münster
13:00–14:00 Make Peace Work. Friedenskonzepte in der bildenden Kunst seit den 1960er Jahren
Ursula Frohne, Münster