Wandel von Normen und normativen Diskursen

Interdisziplinäre Tagung mit öffentlichem Vortrag der Berliner Philosophin Rahel Jaeggi

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© Stefan Klatt

Mit normativen Krisen und dem Wandel von Normen seit der Antike bis heute befasst sich eine interdisziplinäre Tagung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Universität Münster. Unter dem Titel „Verflüssigung und Verfestigung von Normen und normativen Diskursen“ erörtern Vertreterinnen und Vertreter aus der Rechts- und Politikwissenschaft, Theologie, Religionssoziologie, Soziologie und Philosophie das Thema vom 1. bis 3. Februar 2017 in Münster. Der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Thomas Gutmann und die Soziologin Prof. Dr. Christel Gärtner veranstalten die Konferenz im Rahmen der Koordinierten Projektgruppe „Verflüssigung und Verfestigung normativer Diskurse“ des Exzellenzclusters.

Zum Auftakt spricht die Philosophin Prof. Dr. Rahel Jaeggi von der Berliner Humboldt-Universität in einem öffentlichen Abendvortrag über die „Krise von Lebensformen“. Der Vortrag ist am Mittwoch 1. Februar um 18:00 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses, Domplatz 20-22 in Münster zu hören.

„Die Tagung will sowohl in theoretischer Absicht als auch am konkreten Beispiel die Struktur von Normkrisen und normativen Transformationsprozessen analysieren, insbesondere auf dem religiösen und dem politischen Feld“, erläutern die Veranstalter. So werde danach gefragt, wann die relative Gewissheit von Geltungsansprüchen fraglich werde und welcher Zusammenhang zwischen normativer Kritik und Krise bestehe. Die Wissenschaftler wollen erörtern, „wann und wie sich Rechtfertigungsnarrative ändern, verschieben oder stabilisieren und welche Dynamik hieraus resultiert“.

Normative Diskurse von der Antike bis heute

„Wir wollen nicht nur verstehen, warum normative Gewissheiten zerbrechen, sondern zugleich, wie es Akteuren gelingt, neue ‚letzte Wahrheiten‘, Grundwerte und Paradigmata normativer Diskurse zu etablieren und sich dabei selbst als Norminstanzen zu legitimieren“, so Prof. Gutmann. „Wie entstehen in der Dialektik von Kontinuität und Diskontinuität, von default und challenge neue Lösungen? Wie sehen die Prozesse aus, in denen dies geschieht? Gibt es idealtypische Strukturen der Verflüssigung und Verfestigung von Normen und normativen Diskursen? Was ist der geeignete theoretische Zugriff auf solche Prozesse?“

Die Tagung ist Teil des Forschungsfeldes „Normativität“ am Exzellenzcluster, das Konzepte der Normativität und ihrer Geltungsgrundlagen im Vergleich vormoderner und moderner Kulturen behandelt. Prof. Dr. Thomas Gutmann ist in dessen Rahmen Koordinator der Projektgruppe „Verflüssigung und Verfestigung normativer Diskurse“. Er leitet außerdem das Forschungsprojekt A2-7 „Pluralismus und Normbegründung in der Moderne“. Prof. Dr. Christel Gärtner ist Leiterin des Projekts A2-22 „Islam und Gender in Deutschland. Zur (De-)Konstruktion säkular und religiös legitimierter Geschlechterordnungen“ sowie Mentorin an der Graduiertenschule des Exzellenzclusters. (ill/vvm)

Tagung Verflüssigung und Verfestigung von Normen und normativen Diskursen

01.-03.02.2017
Festsaal der Universität Münster
Schlossplatz 5
48149 Münster

Wegen der begrenzten Anzahl von Plätzen im Festsaal wird für die Tagung um Anmeldung bis zum 23.01.2017 gebeten unter: pwede_01@uni-muenster.de

Öffentlicher Abendvortrag „Zur Krise von Lebensformen“
Mit Prof. Dr. Rahel Jaeggi (Berlin)

01.02.2017, 18.00 h
Hörsaal F2
Fürstenberghaus
Domplatz 20-22
48143 Münster

Programm

Mittwoch, 01.02.2017
Öffentlicher Abendvortrag
18:00 Zur Krise von Lebensformen
Rahel Jaeggi (Berlin)
Donnerstag, 02.02.2017
9:30–12:30

Platon und die Sophistik. Zu einer normativen Urkrise
Walter Mesch

Streit um den Nomos. Zur Frage nach der Unterscheidung ritueller und ethischer Normen in den Anfängen des Christentums
Hermut Löhr

Naturrechtstheorie als Krisensymptom? Ein Blick auf das Naturrechtsprojekt der seconda scolastica
Nils Jansen

Kommentar: Reiner Anselm (München)

Diskussion

Mittagspause
14:30–18:00

Die Säkularisierung als synchroner Prozess der Verflüssigung der Gemeinschaftsnorm und der Verfestigung ihrer Konkurrenz zum Individuum – eine demokratietheoretische Perspektive
Oliver Hidalgo

Der Wandel des dominanten theologisch-philosophischen Diskursfeldes im 18. Jahrhundert in Deutschland
Detlef Pollack

Krisis des Bürgers: Sittliche und politische Freiheit bei Rousseau
Martin Bunte

Die Entstehung des klassischen Utilitarismus als Beispiel für die Verfestigung eines säkularen Normendiskurses
Matthias Hoesch

Kommentar: Kurt Bayertz

Diskussion

Freitag, 03.02.2017
9:30–12:30

Die normative Krise der 1960er Jahre: Der Wandel von Familie, Geschlechterverhältnis und Sexualität
Christel Gärtner

Krisen, Routinen und Begründungen in der internationalen Klimapolitik
Doris Fuchs

Modelle der Verflüssigung und Verfestigung normativer Strukturen am Beispiel religionspolitischer Ordnungen
Ulrich Willems

Fluß ohne Ufer? – Gebrauchsbedeutung, Phasenübergänge und Aggregatzustände von Normen
Joachim Renn

Kommentar: Hartmann Tyrell (Bielefeld)

Diskussion

Mittagspause
14:30–18:00

Wissenschaftstheoretische Anmerkungen zu den Termini ‚Verflüssigung’, ‚Verfestigung’, ‚normativer Diskurs’ und deren Verbindung
Thomas Meyer

Traditionskrisen
Thomas Gutmann

Zur Rolle von fiktiven Krisen in normativen Diskursen
Amir Mohseni

Kommentar: Eric Achermann

Diskussion

18:00–19:00 Schlussdiskussion: Zum systematischen Ertrag der Perspektive „Verflüssigung und Verfestigung von Normen und normativen Diskursen“