Ungleichheit und Diskriminierung?
Fachgespräch zum Umgang mit religiöser und weltanschaulicher Vielfalt – Kooperation des Exzellenzclusters und der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Die Veranstaltung fällt aus organisatorischen Gründen leider aus.
Über Fragen der Ungleichheit und Diskriminierung aufgrund religiöser und weltanschaulicher Zugehörigkeit diskutieren Experten aus Wissenschaft, Politik, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften bei einem Fachgespräch des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Universität Münster und der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) in Berlin. „Die beschleunigte religiöse Pluralisierung seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts hat in vielen westlichen Ländern Fragen nach Ungleichheit und Diskriminierung im Religionsverfassungsrecht, in der Religionspolitik und mit Blick auf das Zusammenleben von Menschen unterschiedlichen religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen provoziert“, erläutert Politikwissenschaftler Prof. Dr. Ulrich Willems vom Exzellenzcluster. „Das gilt vor allem für Länder wie Deutschland, die eine enge Kooperation mit und eine breite Förderung von Religionsgemeinschaften vorsehen.“ Neue religiöse und weltanschauliche Traditionen und Gruppen, die an Gewicht gewonnen hätten, zeigten oft Eigenschaften, die ihrer umstandslosen Integration in die Angebote der religionspolitischen Ordnung entgegenstünden. Ulrich Willems: „Umso wichtiger sind politische Regelungen und eine breite öffentliche Debatte über möglicherweise gerechtfertigte sowie ungerechtfertigte Formen von Ungleichbehandlung.“
Das Fachgespräch „Ungleichheit und Diskriminierung? Der Umgang mit religiöser und weltanschaulicher Vielfalt in Deutschland“ findet am Donnerstag, 24. November, von 9.30 bis 16.00 Uhr, Bundesfamilienministeriums, Glinkastr. 24 in 10117 Berlin statt. Es gehört zum ADS-Themenjahr 2016 gegen Diskriminierung wegen der Religion oder Weltanschauung „Freier Glaube. Freies Denken. Gleiches Recht.“. Teil des Fachgesprächs ist ein Podium zum Thema „Zwischen allen Stühlen: Wie erfasst die Religionspolitik die Konfessionslosen?“. Es diskutieren Arik Platzek, Humanistischer Verband Deutschlands (HVD), Grünen-Politiker Volker Beck und Dr. Horst Gorski, Vizepräsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Kopftuch, Körperschaft und Religionsunterricht
Der Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack vom Exzellenzcluster stellt beim Fachgespräch die Studie „Integration und Religion aus Sicht Türkeistämmiger in Deutschland“ vor, die Dr. Anja Stichs vom Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration in Nürnberg kommentieren wird. Die Göttinger Islamwissenschaftlerin Prof. Dr. Riem Spielhaus spricht über „Vermeidbare Ungleichbehandlung oder unvermeidliche Asymmetrie?“ am Beispiel des Islams. Die Tübinger Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Rita Haverkamp spricht unter dem Titel „Grenzen der Toleranz“ über den Schutz von Minderheiten in Minderheiten-Religionen. Prof. Dr. Ulrich Willems hält einen Einführungsvortrag, den Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Hinnerk Wißmann vom Exzellenzcluster kommentiert. Die Moderation übernimmt Joachim Frank, Chefkorrespondent der DuMont Mediengruppe und Religionsfachjournalist. Veranstalter seitens des Exzellenzclusters sind Prof. Dr. Detlef Pollack, Prof. Dr. Ulrich Willems und die Leiterin des Zentrums für Wissenschaftskommunikation des Exzellenzclusters, Viola van Melis.
Als Beispiele für religionspolitische Probleme, die beim Fachgespräch zur Sprache kommen, nennt Politikwissenschaftler Ulrich Willems die Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts oder der Gewährung des Zugangs zum Religionsunterricht an öffentlichen Schulen an muslimische Gemeinschaften. „Aber auch die gegenwärtige Religionspolitik weist deutliche Anzeichen von Ungleichbehandlung und Diskriminierung auf“, so Ulrich Willems. „Das gilt etwa für ein selektives – christliche und jüdische Symbole – nicht betreffendes Verbot des Kopftuchs für islamische Lehrerinnen an öffentlichen Schulen.“ Ungleichheit und Diskriminierung fänden sich auch im Zusammenleben, etwa wenn sich das islamische Kopftuch als Hindernis der Integration in den Arbeitsmarkt erweise. Solche Formen der Ungleichheit und Diskriminierung seien „gelegentlich Folge einer bewussten Privilegierung mehrheitsreligiöser Traditionen, in Deutschland vor allem des Christentums“, unterstreicht der Forscher. Vielfach seien sie jedoch auch einem Vorurteil geschuldet, dass bestimmte Überzeugungen, Rituale und Praktiken religiöser Minderheiten nicht mit den gesellschaftlichen Regeln vereinbar seien.
„Ungleichbehandlung ist nicht immer ungerecht“
„Doch nicht alle Formen der Ungleichbehandlung sind ungerecht“, so Ulrich Willems. „Allerdings ist es keineswegs immer einfach zu beurteilen, ob es sich in strittigen Fällen um unvermeidliche oder um unberechtigte Formen der Ungleichbehandlung oder gar um Diskriminierung handelt.“ So ließen sich Ungleichheiten bei der Festlegung von Sonn- und Feiertagen nicht vermeiden, aber durch Ausgleichmaßnahmen wie Urlaubsregelungen mildern. „Andererseits gibt es gute Gründe, religiösen Mehrheiten ein Recht auf öffentlichen Ausdruck ihrer mit der Geschichte des Landes verwobenen Kultur zuzugestehen.“ Das könne zur unterschiedlichen Prägung des öffentlichen Raumes führen, wie das Kreuz in öffentlichen Institutionen zeige.
Das Fachgespräch thematisiert auch eine gerechte Verteilung der Anpassungsleistungen zwischen religiösen Mehrheiten und Minderheiten. „So ist mit Blick auf die Verleihung des Körperschaftstatus zu klären, ob sich muslimische Gemeinschaften eine mit dem Körperschaftsstatus kompatible Verfassung geben müssen oder ob die Zugangsvoraussetzung so verändert werden müssen, dass auch muslimische Gemeinschaften sie erfüllen“, sagt der Forscher. Thema sind schließlich die Grenzen von Religionsfreiheit. Als Beispiel nennt Ulrich Willems die Beschneidung. „Hier kollidieren das Recht auf Religionsfreiheit religiöser Minderheiten und das Recht der Eltern, die religiöse Erziehung zu bestimmen, und das Recht auf körperliche Unversehrtheit.“(vvm)