„Konversion war ein vielgestaltiges Phänomen“
Althistoriker Prof. Dr. Johannes Hahn zu Bekehrungen in der Antike
Mit einem Vortrag über Konversionen in der Antike hat Althistoriker Prof. Dr. Johannes Hahn vom Exzellenzcluster „Religion und Politik die öffentliche Ringvorlesung „Konversion. Glaubens- und Lebenswenden“ eröffnet. Darin ging er den Eigenarten und Motiven religiöser Konversion in der antiken Welt am Beispiel der Philosophie und des Christentums nach. „Die Konversion stellte damals ein weit vielgestaltigeres Phänomen dar, als dies die Überlieferung nahelegt“, sagte der Historiker. Die Ringvorlesung, zu der der Exzellenzcluster im Wintersemester 2015/16 einlädt, untersucht religiöse, aber auch politische und weltanschauliche Konversionen von der Spätantike bis heute.
Bereits lange vor dem Auftreten des Christentums waren Konversionen vielbeachtete Ereignisse in der Antike, wie der Althistoriker Prof. Hahn ausführte. „Die Öffentlichkeit verfolgte mit großem Interesse den Übergang zu Glaubens- und Lebensauffassungen, die den gesellschaftlichen Konventionen widersprachen oder erheblich von ihnen abwichen.“ Konversionserlebnisse und ihre Darstellung hätten – unmittelbar ebenso wie literarisch – als kommunikative Medien fungiert, um alternative Lebenshaltungen zu vermitteln beziehungsweise zu propagieren.
In dem Vortrag „Bekehrung und Öffentlichkeit: Die Vielfalt der Konversion(en) in der Antike“ untersuchte der Wissenschaftler die Wirksamkeit individueller wie kollektiver Bekehrungserfahrungen und ging damit über das klassische Erklärungsmodell hinaus, das eine radikale psychologisch-spirituelle Transformation von Individuen feststellt. Das antike Christentum habe nicht nur eine neuartige Gottesvorstellung eingeführt, sondern auch rigide Forderungen an die alltägliche Lebensführung gestellt, unterstrich der Althistoriker. Trotzdem sei es – spätestens nach der konstantinischen Wende – zur Massenbewegung geworden.
Prof. Hahn leitet am Exzellenzcluster das Forschungsprojekt Projekt D2-4 Martyrium und Martyriumsdiskurse im 4. Jahrhundert nach Christus. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Kultur-, Religions- und Sozialgeschichte der römischen Kaiserzeit und der Spätantike sowie antike Naturwissenschaften und Philosophie.
Konversion. Glaubens- und Lebenswenden
In der öffentlichen Ringvorlesung kommen Vertreter verschiedener Disziplinen zu Wort: der Geschichts- und der Rechtswissenschaft, der Ethnologie, Theologie, Arabistik, Germanistik, Indonesischen Philologie, der Judaistik und der Mittellateinischen Philologie. Die Themen der 14 Vorträge reichen von Bekehrungen im alten Rom über Konversionsträume im Mittelalter und frühneuzeitliche Reformatoren bis zur Taufe europäischer Juden im 19. Jahrhundert. Auch Konversionen innerhalb des Islams in Indonesien, die Konversion zum evangelikalen Christentum des US-Musikers Bob Dylan und der Wandel von Geisterheilungen zur Psychiatrie im heutigen Indien werden unter die Lupe genommen. Die Vorträge sind dienstags von 18.15 bis 19.45 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22 in Münster zu hören. Den nächsten Vortrag am 27. Oktober hält der Dresdener Mittelalter-Historiker Prof. Dr. Gert Melville zum Thema „Conversio und die Legitimation des Individuums. Beobachtungen zu den religiösen Gemeinschaften des Mittelalters“. (ska/vvm)