Debatten christlicher Asketen

Kirchenhistorikerin Charlotte Köckert über Konversionserzählungen der Spätantike

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Prof. Dr. Charlotte Köckert
© ska

Über Konversionen von christlichen Asketen in der Spätantike und die literarische Darstellung ihrer Bekehrungen hat die Kirchenhistorikerin Prof. Dr. Charlotte Köckert von der Universität Erlangen am Exzellenzcluster gesprochen. „Im späten vierten Jahrhundert wandten sich etliche Angehörige der römischen Mittel- und Oberschicht einem asketischen Christentum zu“, so die evangelische Theologin in der Ringvorlesung „Konversionen. Glaubens- und Lebenswenden“. Zu dieser Zeit hatte das Christentum in der Oberschicht Fuß gefasst, und es stellte sich die Frage, was ein christliches Leben ausmache, ob und wie es mit den traditionellen sozialen und kulturellen Normen verbunden werden könne, wie Prof. Köckert erläuterte. „Die asketischen Konvertiten experimentierten mit verschiedenen Formen eines entschiedenen Christentums und diskutierten auf diese Weise öffentlich darüber, worin Wesen und Anspruch des Christentums bestehen.“ Der Vortrag ging diesen Debatten nach und zeigte anhand von Fallbeispielen, wie die Glaubenswenden in Briefen und Gedichten literarisch beschrieben wurden und welche Funktion die Konversionsdarstellungen hatten.

Ein berühmter Vertreter dieser Bewegung ist Prof. Köckert zufolge Augustinus (354-430), der spätere Bischof von Hippo. „Über ihn sind wir deshalb so gut informiert, weil er über seinen Werdegang selbst mehrfach schriftlich Rechenschaft ablegte.“ Darin sei er kein Einzelfall. Auch andere Christen, etwa der ehemalige römische Senator und spätere Bischof Paulinus von Nola (ca. 352-431) und Sulpicius Severus, der Biograf des Heiligen Martin von Tours (363-ca. 420), hätten ihre Hinwendung zu einem asketischen Leben literarisch publik gemacht. Die Schilderung der eigenen Konversion habe sich als ein Medium des Austauschs gebildeter Asketen erwiesen. Prof. Köckert: „Sie versicherten sich darin ihrer Freundschaft oder trugen Konkurrenzen aus. Zugleich verteidigten sie ihre conversio gegen christliche Kritiker.“

Der Vortrag trug den Titel „Konversion und Konversionserzählungen christlicher Asketen in der Spätantike: Augustinus, Paulinus von Nola und ihre Kreise“. Prof. Köckert hat den Lehrstuhl für Kirchengeschichte I an der Universität Erlangen-Nürnberg inne. Sie ist Vorstandsmitglied des „Interdisziplinären Zentrums Alte Welt“ in Erlangen. Über Konversionen und Konversionsdarstellungen gebildeter Christen in der Spätantike habilitierte sie sich 2012 an der Uni Heidelberg.

Plakat Ringvorlesung Konversion
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© Joachim Schäfer - Ökumenisches Heiligenlexikon

Die Ringvorlesung des Exzellenzclusters im Wintersemester 2015/16 untersucht religiöse, aber auch politische und weltanschauliche Konversionen von der Spätantike bis heute. Die Themen reichen von Bekehrungen im alten Rom über Konversionsträume im Mittelalter und frühneuzeitliche Reformatoren bis zur Taufe europäischer Juden im 19. Jahrhundert. Auch Konversionen innerhalb des Islams in Indonesien, die Konversion zum evangelikalen Christentum des US-Musikers Bob Dylan und der Wandel von Geisterheilungen zur Psychiatrie im heutigen Indien werden unter die Lupe genommen. Es kommen Vertreter verschiedener Disziplinen zu Wort: der Geschichts- und der Rechtswissenschaft, der Ethnologie, Theologie, Arabistik, Germanistik, Indonesischen Philologie, der Judaistik und der Mittellateinischen Philologie.

Die Vorträge sind dienstags von 18.15 bis 19.45 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22 in Münster zu hören. Den nächsten Vortrag am 10. November hält der Münchener Germanist Prof. Dr. Jan-Dirk Müller zum Thema „Konversion zur hohen Minne“. (ska/vvm)

Ringvorlesung „Konversionen. Glaubens- und Lebenswenden“

Wintersemester 2015/2016
dienstags 18.15 bis 19.45 Uhr
Hörsaal F2 im Fürstenberghaus
Domplatz 20-22
48143 Münster