Oratorien mit politischer Botschaft
Neuer Band von Herausgeber Höink zu Oratorienwerken des Komponisten Louis Spohr
Mit den Oratorien des Komponisten Louis Spohr (1784-1859) befasst sich ein Sammelband, den Musikwissenschaftler Dr. Dominik Höink vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ herausgegeben hat. In 18 Einzelstudien untersuchen die Autoren aus der Musikwissenschaft, Theologie, Germanistik und Geschichtswissenschaft die vier Oratorien Spohrs, die bisher lediglich in Ansätzen untersucht wurden. Einige Beiträge nehmen die Entstehungshintergründe, Textgrundlagen und Musik der Oratorien in den Blick. Diese werkbezogenen Studien werden durch Beiträge zur Oratorientheorie, -pflege und -publikation in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ergänzt.
„Die Beiträge bieten einen umfassenden Einblick in das Oratorienschaffen Spohrs und die jeweilige Verbindung der Einzelwerke zu zeitgenössischen Strömungen in Politik, Theologie und Literatur“, so Herausgeber Höink. Der Band geht auf eine Tagung des Exzellenzclusters und des Instituts für Musikwissenschaft und Musikpädagogik der WWU im November 2013 zurück, bei der die Stücke Spohrs erstmals systematisch und interdisziplinär untersucht wurden. Tagungsveranstalter Höink präsentierte dabei die in Kooperation mit Prof. Dr. Rebekka Sandmeier vorbereitete Datenbank „Verzeichnis der deutschen Oratorien“ (VDO), die erstmals alle deutschen Oratorien von 1800 bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts erfassen soll.
„Spohrs Oratorien, insbesondere ‚Das jüngeste Gericht‘, ‚Des Heilands letzte Stunden‘ und ‚Der Fall Babylons‘, spielen im aktuellen Konzertleben keine zentrale Rolle“, so Höink. Das sage jedoch nichts über die Bedeutung der Werke für die deutsche Musikkultur im 19. Jahrhundert aus. „Im Gegenteil, Spohrs Zeitgenossen feierten ihn als Geigenvirtuosen und Komponisten.“ Der Reiz von Spohrs Oratorien liege im Zusammenspiel von religiöser Musikgattung und politisch-gesellschaftlichem Kontext, so der Musikwissenschaftler, der am Exzellenzcluster das Oratorium als Medium politischer Botschaften untersucht. Sein Projekt B2-9 trägt den Titel „Politisch-nationale Stoffe und geistlich-religiöse Form: Das Oratorium vom 18. bis 20. Jahrhundert“. Die Werke seien auf Musikfesten zur Aufführung gekommen, die als Orte der Geselligkeit eine wichtige gesellschaftliche Funktion hatten und zu Foren des politischen Austauschs wurden. „In Spohrs Lebenszeit fallen die Französische Revolution von 1789, die Besetzung der deutschen Staaten durch Napoleon und die Deutsche Revolution von 1848 – eine ereignisreiche Zeit, über deren Niederschlag im Werk durchaus kontrovers diskutiert wird“, erläutert der Musikwissenschaftler. (vvm)