Politische Wirkungen des Pilgerns
Heisenberg-Stipendiat PD Dr. Mariano Barbato erforscht Pilgerströme nach Rom
Unter dem Titel „Wie viele Legionen hat der Papst?“ befasst sich der Passauer Politikwissenschaftler PD Dr. Mariano Barbato ab Herbst am Centrum für Religion und Moderne (CRM) der WWU in einer Untersuchung mit Pilgerströmen nach Rom und Pilgerreisen von Päpsten in der Gegenwart. Anhand von „Papstpilgern und Pilgerpäpsten“ will er transnationale Identitätskonstruktionen und die politische Handlungsfähigkeit in den Transformationen der (post-)säkularen Moderne analysieren. Die Fallstudie, die Barbato im Rahmen eines Heisenberg-Stipendiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) durchführt, soll nach seinen Worten zeigen, wie das Papsttum eine religiöse Form der Pilgerschaft erfand, um eine neue Vorstellung gläubiger Gemeinschaft zu schaffen. „Potenziert durch die Medien erzeugen die Pilgerströme eine soziologische Grundlage für den Wiederaufstieg des Heiligen Stuhls in der Weltpolitik.“ Barbato wird das Projekt im Herbst im CRM vorstellen.
Der Forscher will untersuchen, „wie Pilger die öffentliche und politische Beständigkeit einer religiösen Gemeinschaft im Prozess der Modernisierung sichern und wie sie öffentliche Diskurse und politische Entscheidungen beeinflussen können“. Pilgern sei eine soziale Praxis, die Gläubige sichtbar werden lasse und die Umwandlung geistlicher in politische Macht ermögliche. „Die Pilger sind die sichtbar paradierenden Legionen des Papstes. Pilgerschaft ist eine besondere Parade, weil es eine Identitätskonstruktion auf der Basis von Erfahrung, Diskurs und Vorstellung erlaubt.“ Durch die Erfahrung der Pilgerschaft und die Narrative, die für wahr gehalten und während und nach einer solchen Pilgererfahrung interpretiert und vermittelt würden, so Barbato, werde die Identität von Individuen und Gemeinschaften stabilisiert und gestärkt und könne wieder- oder neuerfunden werden.
Die Fallstudie im Feld der Politischen Soziologie der Internationalen Beziehungen geht dem Wissenschaftler zufolge davon aus, dass Handlungsfähigkeit, Praxis und Identität zentrale Transformationsfaktoren darstellen. Die Rolle der Religion soll eingebettet werden in das breitere Thema politischer Zugehörigkeit und der Frage, wie eine soziale Praxis Ideen in Macht verwandeln kann. „Die Rolle einer religiösen Gemeinschaft in einer säkularen Umgebung, hier des Papsttums in Europa, dient als kritischer Testfall für Akteurs-Qualität und Handlungsfähigkeit.“ Reisende Päpste und Pilger, die den Papst in Rom oder auf seinen Reisen besuchten, würden analysiert, um zu zeigen, „wie Massenmobilisierung zum Wiederaufstieg einer ehemaligen Großmacht als transnationaler Akteur in einer post-nationalen Gesellschaft beitragen kann“.
Mariano Barbato ist Privatdozent an der Universität Passau. Er hat an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München Politikwissenschaft, Neuere und Neueste Geschichte sowie Philosophie studiert und dort promoviert. Er war DFG-Postdoc in Bamberg und Max Weber Fellow am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. Nach der Habilitation an der Universität Passau war er Langzeitdozent des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) an der rumänischen Babeş-Bolyai-Universität Klausenburg/Cluj-Napoca und Gründungsdirektor des dortigen Zentrums für Europawissenschaften und Internationale Beziehungen (ZEWI).
Das CRM an der Universität Münster ist im Rahmen des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ entstanden, um dem neuen Schwerpunkt der Religionsforschung in den Rechts- und Sozialwissenschaften der WWU Rechnung zu tragen. Es bündelt und organisiert die rechts- und sozialwissenschaftlichen Forschungen über Religionen in der Moderne. (CRM/vvm)