„Beschwörung des christlichen Abendlandes“
Politikwissenschaftler Ulrich Willems zur friedlichen Koexistenz der Religionen
Über das Narrativ des christlichen Abendlandes spricht Politikwissenschaftler Prof. Dr. Ulrich Willems in einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“. Er legt darin die Wurzeln des Narrativs in der Romantik und seine Revitalisierung im 20. Jahrhundert dar. Dabei sei es um die „Beschwörung vermeintlich gemeinsamer kultureller Wurzeln der europäischen Völker und einer Einheit von Politik und Religion“ gegangen. Doch „ein christliches Abendland im Sinne eines homogenen christlichen Raumes gab und gibt es nicht“, unterstreicht der Wissenschaftler in dem Gespräch, das sich auch mit dem Verhältnis von Politik und Religion in Europa und den USA, mit säkularem Fundamentalismus und dem Streit um Kopftuch, Schächten und Beschneidung befasst.
„Das lateinische Christentum hat zwar seit dem frühen Mittelalter West- und Mitteleuropa kulturell und politisch geprägt, aber Europa wurde immer auch durch den politischen, ökonomischen und kulturellen Austausch mit anderen Räumen und Traditionen geprägt“, so Prof. Willems. Heute sei Europa im Inneren „nicht durch Homogenität, sondern durch Konkurrenz, Konflikt und Koexistenz unterschiedlicher religiöser Traditionen gekennzeichnet.“ Es bedürfe daher dringend einer aktiven Religionspolitik. Künftig gehe es in religiös pluralen Gesellschaften „um das nicht immer einfache Aushalten von Vielfalt und die Suche nach Möglichkeiten friedlicher Koexistenz.“ Welche Gestaltungsaufgaben Politik und Religionsgemeinschaften dabei zukommen, führt der Wissenschaftler im Interview aus. Der vollständige Wortlaut findet sich in der Online-Ausgabe der Tageszeitung „Der Standard“. (vvm)