„Lieblich lächelt die Agnes“

Ausstellung „Goldene Pracht“ zeigt bundesweit einzigartigen Schatz an Silberstatuetten

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Reliquienstatuette der Heiligen Agnes, Domkammer Münster, um 1520

Lieblich lächelt sie von Plakaten in ganz Deutschland: Die Silberstatuette der Heiligen Agnes, deren Festtag am 21. Januar ist, wirbt für die kommende Ausstellung „Goldene Pracht“ in Münster. Die 50 Zentimeter hohe Figur aus Gold und Silber ist Teil einer Sammlung westfälischer Silberstatuetten der Domkammer, die in Qualität und Umfang in Deutschland einzigartig ist, wie Kurator Holger Kempkens vom Bistum Münster erläutert. „Dieser mittelalterliche Kirchenschatz wird ein Höhepunkt unserer umfangreichen Schau in der Domkammer und im LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte sein.“ Trotz Zerstörungen während des Täuferreichs und durch die Bomben des Zweiten Weltkriegs seien neben den Statuetten auch kostbare Reliquiare und Textilien fast vollständig erhalten.

„Viele der Exponate holen wir für die Ausstellung erstmals aus dem Verborgenen“, sagt Kempkens. „So werden die vergoldeten 14 Apostelfiguren vom Hochaltar des Doms in Münster nach Jahrzehnten zum ersten Mal wieder aus der Nähe zu betrachten sein.“ Weitere Ausstellungs-Besonderheiten aus dem Domschatz: die 14 Büsten von Propheten des Alten Testaments – zwischen 1390 und 1400 in einer Münsterischen Werkstatt gefertigt –, Reliquienkreuze des 11. bis 13. Jahrhunderts und diverse Reliquiare in ungewohnter Form. Darunter befindet sich das älteste Kokosnuss-Reliquiar der Welt aus dem frühen 13. Jahrhundert, das 47 Reliquien birgt und auf dem Gold-Deckel ein Lamm aus persischem Bergkristall trägt.

300 herausragende Werke der Goldschmiedekunst

Die Ausstellung „Goldene Pracht“ ist ein Kooperationsprojekt des Bistums Münster, des LWL-Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) und des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Universität Münster. Vom 26. Februar bis 28. Mai 2012 präsentiert sie auf 1.500 Quadratmetern 300 herausragende Werke der Goldschmiedekunst des 10. bis 16. Jahrhunderts. Die Kuratoren konnten 220 Leihgaben von internationalem Rang zusammentragen. Diesen werden 60 Exponate aus dem Domschatz und LWL-Landesmuseum gegenübergestellt. „Die Pracht der westfälischen Goldschmiedekunst ist bislang noch viel zu wenig bekannt“, so Kempkens. „Im Vergleich mit den internationalen Spitzenwerken wird sich dem Publikum ihr hohes Niveau erschließen.“

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Kokosnuss-Reliquiar, um 1230/ 50, mit Lamm aus persischem Bergkristall, 10. Jh.

Das gilt besonders für die 14 Silberstatuetten des Dom-Hochaltares, die Kempkens zufolge einmalig in der europäischen Goldschmiedekunst des Mittelalters sind. Sie entstanden zwischen 1350 und 1390 und stellen die zwölf Apostel, Maria und Johannes den Täufer dar. „Die Anordnung der prachtvollen Haar- und Bartlocken etwa zeugt von einem handwerklichen Können, wie man es sonst nur von französischen Bilderwerken ab der Mitte des 13. Jahrhunderts gewohnt ist.“

Heilige als mächtige Fürbitter

Für die Gläubigen im Dom hatten die Figuren im Mittelalter eine besondere Bedeutung: „Ihr kostbares Material sollte den Blick der Gemeinde auf den überirdischen Leib der Auferstandenen und Erlösten lenken. Die Menschen waren überzeugt, dass die Heiligen durch die Anwesenheit der Figuren im Hochaltarretabel, einer Schauwand hinter dem Altar, zu mächtigen Fürbittern wurden“, so Experte Kempkens. Tatsächlich bargen die Figuren meist Reliquien der Apostel, die sie darstellen. „Die sterblichen Überreste gehörten zu dem Reliquienschatz, den der Heilige Liudger, der erste Bischof von Münster, im 8. Jahrhundert aus Rom mitgebracht haben soll.“

An den Silberstatuetten lässt sich auch ein reger Kunsttransfer ablesen, der französische und rheinländische Gestaltungsideen nach Westfalen brachte, wie die Ausstellung „Goldene Pracht“ zeigen wird. Diese und andere Figuren sind auch ein Beispiel für die enge Zusammenarbeit verschiedener Goldschmiede, Maler und Bildhauer innerhalb Westfalens. Kempkens: „Die Ausstellung wird Verbindungen aufzeigen, die der Forschung bislang unbekannt waren.“ Markenzeichen der Schau sei die interdisziplinäre Herangehensweise an die Exponate durch die Zusammenarbeit der Museen mit dem Exzellenzcluster, die kunsthistorische, historische und theologische Blickwinkel vereint. (vvm/ska)