„Gefangennahme, Verbannung, Hinrichtung“
Rechtshistoriker Michele Luminati zur Bekämpfung der frühen Schweizer Täufer
Über die historischen Anfänge der Täuferbewegung in der Region der heutigen Schweiz hat der Luzerner Rechtshistoriker Prof. Dr. Michele Luminati am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster gesprochen. „Im Jahr 1523 bildete sich in Zürich ein erster Täuferkreis, der die Gewissensfreiheit des Individuums in den Vordergrund stellte und sich gegen die Lehren des Reformators Ulrich Zwingli wandte“, sagte er in der Ringvorlesung „Religion, Recht, Politik“. „Das namensgebende Merkmal der Bewegung war die Erwachsenentaufe, die garantieren sollte, dass die Menschen freiwillig der Kirche beitraten.“ Mit Berufung auf das Eidverbot Jesu in der Bergpredigt verweigerten die Täufer dem Experten zufolge zudem den damals üblichen Lehens- und Gehorsamseid, um ihre Gewissensfreiheit zu wahren. Damit hätten sie sich Kirche und Staat rasch zu Feinden gemacht.
„Sowohl die Reformatoren als auch die weltliche Führung sahen die Eidverweigerung der Täufer als Frontalangriff auf die Obrigkeit an“, sagte Prof. Luminati. „Vor Gericht mussten die Täufer dann aber doch unter Eid schwören, von ihren Lehren abzulassen, wollten sie nicht hingerichtet werden.“ Meist hätten sie ihre Praktiken danach wieder aufgenommen und seien daraufhin wegen Meineides zum Tode durch Ertränken verurteilt worden. Im Kampf gegen die Täufer in der Schweiz habe das Recht eine große Rolle gespielt, betonte der Rechtshistoriker. „Da man die protestantischen Täufer nicht wie Katholiken als Ketzer verbrennen konnte, griffen Reformatoren und Staat auf juristische Instrumente der weltlichen Herrschaft zurück.“
„Furcht vor Gotteszorn“
Die Gerichte eröffneten sich in den Täuferprozessen enormen Spielraum, wie Prof. Luminati erläuterte. „Die Richter unterschieden bei Todesstrafen schon bald nicht mehr, ob Täufer ihr Versprechen mit oder ohne Eid geleistet hatten.“ Dies sei eine pragmatische Lösung zur Vernichtung der Täufer gewesen, aber auch beeinflusst „durch die Furcht vor einem durch Meineid und Eidbruch provozierten Gotteszorn, der die gesamte Gesellschaft treffen konnte“, so der Forscher.
1526 sei es zum ersten Prozess und im folgenden Jahr zu den ersten brutalen Repressionen gekommen: „Gefangennahme, Verbannung und Hinrichtung prägten von nun an den Umgang mit den Täufern bis ins 17. Jahrhundert.“ Es sei „erstaunlich, mit welcher Geschwindigkeit und Radikalität der kirchliche Ausschluss und die Vernichtung der Täufer betrieben wurde“, so Prof. Luminati. Verwicklungen der sonst pazifistischen Bewegung in den Deutschen Bauernkrieg durch radikale Täufer wie Thomas Müntzer hätten den Vorwurf der Staatsfeindlichkeit zusätzlich erleichtert.
Aus den Anfängen der Täufer sei trotz gewaltsamer Unterdrückung eine vielfältige Bewegung entstanden, die sich zunehmend von Positionen großer Reformatoren wie Martin Luther, Johannes Calvin und Zwingli distanziert habe, so der Rechtshistoriker. Das Münsteraner Täuferreich stelle eine besonders radikale Variante dar. Die Täufer sind dem Wissenschaftler zufolge auch heute noch weltweit präsent, insbesondere durch die mennonitischen und amischen Gemeinschaften.
Die Ringvorlesung des Exzellenzclusters im Sommersemester 2012 macht das spannungsreiche Verhältnis von Religion, Recht und Politik in der Geschichte zum Thema. Die Vorträge konzentrieren sich auf die europäische Geschichte und nehmen sie in einer Langzeitperspektive in den Blick – von der Spätantike bis in den Vormärz. (han)
Ringvorlesung „Religion, Recht, Politik“
Sommersemester 2012
dienstags 18.15 bis 19.45 Uhr
Hörsaal F2 im Fürstenberghaus
Domplatz 20-22
48143 Münster