Goldschmiedekunst von internationalem Rang kommt nach Münster
Ausstellung „Goldene Pracht“ schreibt ein Kapitel westfälischer Geschichte neu
Kostbare Goldschmiedekunst von internationalem Rang kommt im Frühjahr 2012 zur Ausstellung „Goldene Pracht“ nach Münster. „Wir konnten für die umfangreiche Schau im LWL-Landesmuseum und in der Domkammer mehr als 240 mittelalterliche Exponate von internationalen und nationalen Leihgebern gewinnen“, sagte Historiker Prof. Dr. Gerd Althoff vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster. Darunter sind wertvolle Stücke wie die Thronende Muttergottes aus Walcourt, der Marienschrein aus Tournai in Belgien und vergoldete Emailplatten aus dem British Museum. „Zugleich würdigt die Ausstellung erstmals die Pracht westfälischer Goldschmiedekunst, die lange im Verborgenen schlummerte. Im Vergleich mit den internationalen Spitzenwerken wird sich dem Publikum ihr hohes Niveau erschließen.“
Die Ausstellung ist ein Kooperationsprojekt von LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Bistum Münster sowie dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“. Vom 26. Februar bis 28. Mai 2012 präsentiert sie auf 1.500 Quadratmetern in zwölf Räumen insgesamt 300 herausragende Werke der Goldschmiedekunst des 10. bis 16. Jahrhunderts. Die Kuratoren konnten internationale Leihgaben aus Museen, Bibliotheken und Kirchen in ganz Europa zusammentragen, wie LWL-Kuratorin Dr. Petra Marx und Bistums-Kurator Holger Kempkens erläuterten. Die Werke kommen aus der Schweiz, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und Finnland. 220 Leihgaben stammen aus Deutschland, 180 davon aus westfälischen Kirchen, Klöstern, Archiven und Museen. Das LWL-Landesmuseum und die Domkammer steuern selbst 60 herausragende Exponate bei.
Das Spätmittelalter als kulturelle Blütezeit
Die Ausstellung schreibt ein Stück westfälischer Geschichte neu, wie Althoff erläuterte. „Das Spätmittelalter stellt sich hier nicht als Zeitalter des Niedergangs dar, sondern als kulturelle Blütezeit: Ein selbstbewusstes Bürgertum stiftete aus tiefer Frömmigkeit hochwertige Kreuze, Kelche oder Schreine. Einige Klischees über die Provinzialität der Westfalen lassen sich im Licht der ‚Goldenen Pracht‘ über Bord werfen.“ Von der Kunstfertigkeit der Goldschmiede zeugen in der Ausstellung laut Marx Schätze wie der Cappenberger Barbarossa-Kopf, das wohl erste Porträt des Mittelalters, das Borghorster Reliquienkreuz, das jüngst in London ausgestellt wurde, und die einzigartigen Silberstatuetten wie die der Heiligen Agnes aus dem Münsterischen Domschatz.
„Viele Stücke holen wir erstmals aus dem Verborgenen“, sagte Bistums-Kurator Holger Kempkens. „So werden die Apostelfiguren vom Hochaltar des Münsterischen Doms nach Jahrzehnten zum ersten Mal wieder öffentlich zu sehen sein. Andere Werke wie der Sifridus-Kelch aus dem finnischen Borga, der im 30-jährigen Krieg (1618-1648) aus dem Osnabrücker-Schatz verschwand, sind nur selten in Deutschland zu bewundern.“ Die Ausstellung zeigt Marx zufolge einerseits sakrale Stücke wie die weltweit älteste Monstranz, die aus der Abtei Herkenrode in Belgien stammt. Andererseits präsentiert sie edelste Gegenstände für den weltlichen Gebrauch wie das einzigartige Ratssilber aus Osnabrück oder filigranen Schmuck für die städtische Kundschaft.
Kostbarstes Material, überirdischer Glanz
Den westfälischen Objekten werden in der Ausstellung jeweils internationale gegenübergestellt. So lassen sich laut Kempkens nicht nur internationale künstlerische Einflüsse auf die westfälische Kunst entdecken, sondern auch die hohe Qualität der Objekte: „Der Beckumer Prudentia-Schrein, in heimischer Goldschmiedeproduktion entstanden, wird neben dem berühmten Marienschrein aus Tournai erstrahlen, der aus der berühmten Werkstatt des Nikolas von Verdun stammt, dem Erbauer des Dreikönigsschreins im Kölner Dom.“ Das kostbarste Material des Mittelalters war das Gold: „Ob adlige oder bürgerliche Stifter: Das Beste war gerade gut genug, wenn es galt, Gott und die Heiligen zu ehren“, so Historiker Althoff. Kuratorin Marx ergänzte: „Sein überirdischer Glanz machte es zu einem Sinnbild für das Ewige, Heilige und Göttliche und brachte den Menschen die himmlische Herrlichkeit nahe.“ Die Goldschmiedearbeiten, oft mit Silber und Edelsteinen versehen, wurden so zu Zeugnissen christlicher Frömmigkeit und weltlicher Repräsentationsbedürfnisse.
Die historische Identität der Region stärken
Wichtigste Produktionsstätten in Westfalen waren zunächst die Bischofssitze Münster, Paderborn und Osnabrück sowie das Benediktinerkloster Corvey und das Frauenstift Essen, wie die Schau nach den Worten von Kurator Kempkens verdeutlichen wird. Ab dem 13. Jahrhundert entstanden die Werke zunehmend in den erblühenden Hansestädten Soest und Dortmund. Historiker Althoff: „Die Entstehung dieser goldenen Pracht stellt einen wesentlichen, bislang kaum erschlossenen Aspekt der Geschichte Westfalens dar und kann die historische Identität der Region genauso stärken wie die Erinnerung an den Sieg über die Römer und an den Westfälischen Frieden.“
Markenzeichen der Ausstellung „Goldene Pracht“ ist die interdisziplinäre Herangehensweise durch die Zusammenarbeit der Museen mit dem Exzellenzcluster, die kunsthistorische, historische und theologische Blickwinkel vereint. So verdeutlicht die Schau den künstlerischen Rang der Werke genauso wie das historische und soziale Umfeld, in dem sie entstanden. Die Goldschmiedekunst wird in der Ausstellung ergänzt durch Skulpturen, Tafelbilder, Buchmalerei und liturgische Gewänder. Neben schriftlichen Dokumenten veranschaulichen sie den künstlerischen Rang, die Symbolik und die vielschichtige Bedeutung der Goldschmiedewerke. (vvm/ska)