„Die Heiligen Drei Könige setzten Maßstäbe“

Experten erläutern zum Dreikönigstag das Stiften wertvoller Gaben zur Gottesverehrung

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Engelbert Hoffslegers, Kelch des Osnabrücker Dominikanerkonvents, 1468 (Domschatzkammer und Diözesanmuseum Osnabrück)

Gold, Weihrauch und Myrrhe: Die Heiligen Drei Könige haben mit ihren kostbaren Gaben zur Verehrung des Christuskindes Wissenschaftlern zufolge Maßstäbe gesetzt. „Über Jahrhunderte scheuten die Menschen keine Kosten, um Gott und die Heiligen mit Gaben zu ehren“, erläutert Historiker Prof. Dr. Gerd Althoff vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster vor dem Dreikönigstag am 6. Januar. „Als Gegenleistung für wertvolle irdische Gaben wie Kunstwerke, Kreuze und Kelche erhofften sich die Menschen des Mittelalters, dass Gott ihre Fegefeuer-Zeit verkürze.“

Jeder Mensch stiftete damals nach seinen Möglichkeiten, wie LWL-Kuratorin Dr. Petra Marx ausführt: „Adlige gaben Gold, Bauern spendeten Feldfrüchte. Alle vertrauten darauf, dass Gott die Gaben ins richtige Verhältnis setzte.“ Die Ausstellung „Goldene Pracht“ in Münster wird wertvolle Stiftungen der mittelalterlichen Goldschmiedekunst ab Februar 2012 in großer Zahl präsentieren. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) mit seinem LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte und die Domkammer zeigen gemeinsam mit dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“ rund 300 herausragende nationale und internationale Werke wie Kreuze, Schreine und Schmuck.

Umrechnungstabellen für Sündenstrafen

„Die Vorstellung, dass sich das ewige Seelenheil durch irdische Leistungen verdienen lässt, führte im Mittelalter zu einem differenzierten Stiftungswesen“, so Historiker Althoff. Almosen-Spenden für Arme und Stiftungen sakraler Gegenstände galten als wirkungsvolle Mittel zur „Jenseitsvorsorge“, da sie mit Messfeiern und Gebeten für die Stifter belohnt wurden. Althoff: „Es hat im Mittelalter regelrechte Umrechnungstabellen gegeben, aus denen deutlich wurde, wie viel Sündenstrafen Gott für die Messfeiern und Gebete erlässt.“ Bildliche Darstellungen des Jüngsten Gerichts hätten den Gläubigen zudem vor Augen geführt, dass niemand vor Verdammnis sicher war. Selbst Könige, Päpste und Bischöfe ließ der Weltenrichter Christus von Teufeln in die Hölle abführen.

Zuweilen mischten sich religiöse Motive für Schenkungen auch mit weltlichen, wie Marx sagt: „Die Bürger der Stadt Soest etwa stifteten den berühmten Schrein für ihren Stadtpatron Patroklus nicht zuletzt aus Konkurrenz zum städtischen Kloster, dessen Stiftungen sie überbieten wollten.“ Als Stifter goldglänzender Kreuze, Schreine und Statuetten traten in Westfalen nach den Worten der Kuratorin zunächst Könige und Adlige in Erscheinung, im Spätmittelalter auch ein selbstbewusstes Bürgertum. „Aus Frömmigkeit spendeten sie hochwertige sakrale Kunst. Diese sollte auch die Würde des Gottesdienstes erhöhen.“

In vielen Fällen diente der Schenkungsakt nach den Worten von Bistums-Kurator Holger Kempkens auch der Sicherung des eigenen Ansehens – im Diesseits wie im Jenseits, wie ein Kelch aus dem Osnabrücker Dominikanerkloster in der Ausstellung verdeutlicht: Die Arbeit von Engelbert Hoffsleger, einem Osnabrücker Goldschmied des 15. Jahrhunderts, zeigt einen Dominikanermönch gleich neben Christus auf dem Ölberg. „Diese selbstbewusste Darstellung des Stifters, der durch seine Gabe eigentlich Demut ausdrücken wollte, erscheint heute befremdlich“, so Kempkens, „war im Mittelalter aber normal. Der Stifter glaubte, durch die Kelch-Darstellung bis in die Ewigkeit an Messen teilzunehmen.“

Basisdaten der Ausstellung

Die Ausstellung „Goldene Pracht. Mittelalterliche Schatzkunst in Westfalen“ ist vom 26. Februar bis 28. Mai 2012 im LWL-Landesmuseum und in der Domkammer in Münster zu sehen. Auf 1.500 Quadratmetern präsentiert sie in zwölf Räumen insgesamt 300 herausragende Werke der westfälischen Goldschmiedekunst des 10. bis 16. Jahrhunderts. Skulpturen, Tafelbilder, Buchmalerei und liturgische Gewänder veranschaulichen den künstlerischen Rang, die Symbolik und die vielschichtige Bedeutung der Goldschmiedewerke. Markenzeichen der Ausstellung ist die interdisziplinäre Herangehensweise durch die Zusammenarbeit der Museen mit dem Exzellenzcluster, die kunsthistorische, historische und theologische Blickwinkel vereint. (vvm/ska)