„Eine Theologie der Hoffnung“
Moraltheologe Eberhard Schockenhoff kritisiert die Vernachlässigung der Lehren von Origenes in der christlichen Kirche
Die Kirche hätte sich den Lehren des christlichen Gelehrten Origenes (185-253) nach Ansicht des renommierten Freiburger Moraltheologen Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff nicht versperren dürfen. „Der kirchlichen Glaubenslehre wären viele Irrwege und Sackgassen erspart geblieben, wenn sie in entscheidenden Weichenstellungen nicht Augustinus sondern Origenes gefolgt wären.“ Dies sagte er am Mittwoch im Eröffnungsvortrag der Tagung „Autonomie und Menschenwürde – Origenes in der Philosophie der Neuzeit“, die vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ sowie der Forschungsstelle Origenes der Westfälischen Wilhelms-Universität organisiert wurde.
Die katholische Kirche, die die Schriften von Origenes im sechsten Jahrhundert verboten und größtenteils vernichtet hatte, sehe den Gelehrten auch heute offiziell immer noch als Häretiker an, so der Theologe. Tatsächlich sei Origenes jedoch im katholischen Glaubensbewusstsein längst rehabilitiert. Selbst Papst Benedikt XVI. hat laut Schockenhoff unlängst in seiner Enzyklika „Spe Salvi“ Gedanken des griechischen Gelehrten aufgegriffen.
„Origenes’ Lehren sind eine Theologie der Hoffnung“, sagte der Theologe. Zwar blicke der Mensch vor seinem Tod „vor Furcht zitternd auf das Kreuz Christi“, er könne aber hoffen, dass Gott in seiner Gerechtigkeit und Gnade selbst die größten Sünder nach ihrer Bestrafung in der Hölle schließlich in seine alles umfassende Liebe einschließe. Im frühen Christentum hatten sich hingegen die Ideen von Augustinus durchgesetzt, der für Sünder niemals endende Höllenqualen beschwor und dessen Prädestinationslehre die Freiheit des Menschen bezweifelte, erläuterte der Theologe.
Wegweisende Schriften zur Freiheit des Menschen
Origenes hingegen, der als einer der wichtigsten christlichen Theologen der Spätantike gilt, hatte in seinen wegweisenden Schriften die Freiheit des Menschen in den Vordergrund gestellt. Nach den Lehren von Origenes, so Schockenhoff, habe der Mensch damit die Möglichkeit, sein eigenes Schicksal im Jenseits durch gute Entscheidungen zu bestimmen. „Mit dem Verbot der Schriften von Origenes ist im kirchlichen Denken für viele Jahrhunderte eine wichtige Tür zugeschlagen und für die Theologie der Nachwelt lange verschlossen geblieben“, kritisierte Schockenhoff.
Das wegweisende Freiheitsdenken von Origenes habe die Nachwelt dennoch völlig durchdrungen und stark beeinflusst – wenn auch erst viele Jahrhunderte später. „Nach der Wiederentdeckung von Origenes in der italienischen Renaissance war seine Idee von der universalen Herrschaft des Logos wie ein Motor für die Weltgeschichte“, hob der Moraltheologe hervor. Ob Leibniz, Lessing oder Erasmus – bei vielen großen Denkern der Moderne sei der Einfluss des christlichen Gelehrten erkennbar. „Ein solch radikales Freiheitsverständnis wie bei Origenes findet man erst wieder bei Jean Paul Sartre“, sagte der Theologe. Dem, so Schockenhoff, fehle jedoch der origeneische Glaube an die alles umfassende Liebe Gottes. (han)