"Wirtschaftskrise erhöht Kirchenaustrittsbereitschaft"
Soziologe erklärt Mitgliederschwund mit Finanzsorgen und sinkender Religiosität
Der Mitgliederschwund der katholischen Kirche hängt nach Angaben des Münsteraner Religionssoziologen Prof. Dr. Detlef Pollack unter anderem mit der Wirtschaftskrise zusammen. „Die Ersparnis der Kirchensteuer ist ein wesentliches Motiv für Kirchenaustritte, wie viele Befragungen zeigen“, sagte der Wissenschaftler vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) am Dienstag in Münster zu den jüngsten Austrittszahlen vom Montag. Die Austrittsraten stiegen immer dann an, wenn die Finanzbelastung wachse, so Pollack. Das lasse sich für die vergangenen 50 Jahre nachweisen, etwa beim Solidaritätszuschlag 1992 oder beim Konjunkturzuschlag Anfang der 1970er Jahre.
Ursachenforschung
Die Austritte hätten zugleich mit einer sinkenden Religiosität zu tun, erläuterte der Wissenschaftler. „Menschen, die austreten, haben zumeist die Beziehung zu Glauben und Kirche verloren. Die Wirtschaftslage ist dann der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.“ Dabei sind es laut Statistik vor allem Besserverdiener, Städter und Männer, die der Kirche den Rücken kehren. „Für sie lohnt sich der Austritt finanziell am meisten. Die Bindung zur Kirche bleibt jedoch oft über die schlechter verdienende Frau bestehen. Dies erlaubt es, die Kinder dann dennoch taufen zu lassen.“
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hatte am Montag in Fulda bekannt gegeben, dass 2008 mehr als 120.000 Mitglieder ausgetreten seien. Im Jahr zuvor waren gut 93.000 Austritte registriert worden. Zu den Gründen könne er derzeit noch nichts sagen, sagte Zollitsch. Er wolle Ursachenforschung betreiben. Die Zahl der Kircheneintritte lag mit 14.000 auf gleichbleibendem Niveau.
Pollack betonte, die Kircheneintritte könnten den „enormen Anstieg der Austritte“ nicht wett machen. Die katholische Kirche verliere den Zahlen zufolge 0,4 bis 0,5 Prozent ihrer Mitglieder pro Jahr, nur 0,06 Prozent kämen hinzu. „Bislang konnte die katholische Kirche ihre Mitglieder besser halten als die evangelische Kirche. Nun ist fraglich, ob das so bleiben wird.“ (vvm)