Soziologin befragt muslimische Jugendliche
Islamische Glaubenspraxis wie Ramadan-Fasten muss Integration nicht im Weg stehen
Muslimische Jugendliche in Deutschland müssen nach Einschätzung der münsterschen Soziologin Dr. Christel Gärtner ihre Religionspraxis wie das derzeitige Ramadan-Fasten nicht aufgeben, um gesellschaftlich integriert zu werden. Während es bezüglich der Frage des Glaubens deutliche Unterschiede zwischen jungen Muslimen und Nicht-Muslimen gebe, glichen sich andere Werte zunehmend an, sagte die Wissenschaftlerin am Dienstag in Münster. Eine vollständige Anpassung der zweiten und dritten Einwanderergeneration an die deutsche Kultur erscheint ihr nicht erforderlich. Gärtner untersucht am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Westfälischen-Wilhelms Universität Münster (WWU), ob und inwiefern Religionen Integrationsprozesse beeinflussen.
Dass sich muslimische Jugendliche in Deutschland bewusst zum Islam hinwenden, sieht die Wissenschaftlerin als selbstverständlich an, denn die Religion sei Bestandteil ihrer Herkunftskultur. Zudem machten sie die Erfahrung, dass sie nach wie vor oft nicht als Einheimische, sondern als Fremde behandelt würden; bedauerlicherweise spiele das Aussehen dabei eine größere Rolle als die deutsche Staatsangehörigkeit. Auch wenn die Teenager mit dem islamischen Glauben ein Stück der Herkunftskultur ihrer Familien übernehmen, entspreche ihre Religionspraxis nur noch teilweise der der Eltern.
Bundesweite Erhebung
Die Jugendlichen passten sie der eigenen Situation an und lebten einen neuen, stärker reflektierten Islam, erläuterte Gärtner. So stellten die religiöse Bindung und die Ausübung eines modernen Berufes für junge Frauen keinen Widerspruch dar. Die deutschen Altersgenossen akzeptieren diese Frömmigkeit nach den Worten der Wissenschaftlerin. Auch wenn sie selbst oft nicht kirchlich gebunden seien, seien sie tolerant gegenüber dem Bekenntnis ihrer muslimischen Altersgenossen. Zahlreiche Kontakte in Schule und Freizeit hätten beide Seiten miteinander vertraut gemacht. Das komme der Integration zu Gute, so die Soziologin.
Für ihr Forschungsprojekt befragt die Wissenschaftlerin in der nächsten Zeit Jugendliche in verschiedenen Regionen Deutschlands. In Einzelgesprächen und Gruppeninterviews will sie der Frage nachgehen, wie die jungen Menschen miteinander leben, ob in der jungen Generation Integrationshindernisse seitens der Aufnahmegesellschaft abgebaut werden und welche Bedeutung Religion dabei für die Integration der muslimischen Jugendlichen besitzt. Ein Vergleich der Ergebnisse soll zeigen, wie weit die Integration inzwischen fortgeschritten ist. Das Projekt trägt den Titel „Transformation normativer Ordnungen durch Generationenbildung. Die Formation der gegenwärtigen Jugendgeneration in Deutschland - ostdeutsche, westdeutsche und Jugendliche muslimischer Herkunft im Vergleich.“ (log)