Chile-Solidarität im katholischen Münster
Clusterwissenschaftlerin spricht auf einer Tagung der Akademie der Wissenschaften
In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts hielten Linksalternative ihr kritisches Vergrößerungsglas auf die Gesellschaft, mittlerweile sind sie selbst Gegenstand der Forschung. Eine Tagung an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften befasst sich vom 16. bis zum 18. September mit dem „Linksalternativen Milieu und dessen (Selbst)Inszenierung“. Die Teilnehmer möchten neue Perspektiven auf die „Neuen sozialen Bewegungen“ der 1970er Jahre aufzeigen und einen historischen Zugriff auf das linksalternative Milieu dieser Zeit entwickeln. Barbara Rupflin vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ stellt dort ihre Forschungsarbeiten vor.
Wie politisch darf die Kirche sein?
Das Thema ihres Vortrags ist die Chile-Solidarität der katholischen Studentengemeinde Münster, die sich in einem Spannungsfeld zwischen dem linksalternativen und dem traditionell katholischen Milieu bewegte. Für die Katholische Studentengemeinde hatte der christliche Glaube im Sinne der Politischen Theologie und der Befreiungstheologie immer auch eine politische Dimension. Der Kirche kam in den Augen der Münsteraner Studentengemeinde daher die Aufgabe zu, „Stimme der Stimmlosen zu sein, Folter und Mord anzuklagen, die Beendigung von Ausbeutung und Unterdrückung zu fordern und sich für die elementaren Menschenrechte einzusetzen.“
Das intensive Engagement der Studentengemeinde in der Chile-Solidaritätsbewegung und die Öffnung zum linksalternativen Milieu brachte der KSG im katholischen Kernmilieu den Vorwurf der „Einseitigkeit“ und „Linkslastigkeit“ ein. Damit wurde die Frage, welche politische Praxis für Katholiken und für die katholische Kirche legitim sei, zum Gegenstand der Auseinandersetzung.
Barbara Rupflin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Cluster-Projekt D10 Zwischen Unterstützung autoritärer Regime und Verteidigung der Menschenrechte. Die katholische Kirche in Chile und Argentinien während der Militärdiktaturen der 1970er und 1980er Jahre. Zu den Arbeitsschwerpunkten der Historikerin gehört unter anderem das Verhältnis von Kirche und Militärregimen in Südamerika. (bhe)