„Wetterfest gegen die Verführung durch Inszenierungen“
Exzellenzcluster untersucht Rituale der Amtseinsetzung von Otto dem Großen bis Obama
Prof. Dr. Gerd Althoff, Prof. Dr. Helene Basu und Prof. Dr. Hubert Wolf (v.l.) laden zur aktuellen Ringvorlesung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ ein. Die Reihe beschäftigt sich im Wintersemester mit „Ritualen der Amtseinsetzung“. (Foto: bhe)
„Rituale der Amtseinsetzung“ von Otto dem Großen bis Barack Obama stehen im Mittelpunkt der nächsten Ringvorlesung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Universität Münster. Die 14 öffentlichen Vorträge beleuchten ab dem 20. Oktober 2009, wie Menschen feierlich in geistliche und weltliche Ämter eingeführt werden. Die Bandbreite reicht von mittelalterlichen Kaisern und Kalifen über Fürstbischöfe der Frühen Neuzeit bis zu Päpsten und Präsidenten der Gegenwart, wie der Sprecher des Exzellenzclusters, Prof. Dr. Gerd Althoff, am Donnerstag in einer Pressekonferenz in Münster sagte. Beleuchtet würden auch indische Königsrituale, muslimische Feste in Pakistan und politische Einsetzungsriten in Mexiko.
„Durch den Vergleich verschiedener Epochen, Kulturen, politischer Systeme und Religionen wollen wir zeigen, warum die Einsetzungen über Jahrhunderte bis heute so aufwändig gestaltet wurden und dass sich die Inszenierungen durch die Zeiten frappierend ähnelten“, so der Sprecher des Forschungsverbundes. „Auch die Nähe zwischen religiösen und politischen Inszenierungen war häufig eklatant.“ Durch die Rituale und Gesten seien stets Machtansprüche, Rechte und Pflichten neuer Amtsträger verdeutlicht worden. Prof. Dr. Althoff fügte hinzu, die Ringvorlesung stehe exemplarisch für die Arbeitsweise der 150 Mitglieder und 20 Fächer im Exzellenzcluster. „Ein solches Thema könnte niemand alleine so umfassend untersuchen.“ Der Forschungsverbund arbeite bewusst über die Grenzen von Epochen und Kulturen hinweg.
„Spannend auch für Nicht-Wissenschaftler“
Das Thema der Ringvorlesung sei auch für Nicht-Wissenschaftler spannend, unterstrich der Historiker. „Wir leben in einer Gesellschaft, in der nicht zuletzt durch die Medien furchtbar viel inszeniert wird.“ Ob Bundestags¬wahl, Bankenwelt, Beruf oder private Beziehung: Es sei lebensnotwendig, Techniken der Inszenierung zu durchschauen. „Die Zuhörer der Ringvorlesung werden wetterfest gemacht gegen die Verführung durch Inszenierungen aller Art.“
Die Vorträge sind jeweils dienstags von 18-20 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses, Domplatz 20-22, zu hören. Organisatoren sind Prof. Dr. Althoff und Ethnologin Prof. Dr. Helene Basu. Die Vorlesungsreihe beginnt am 20. Oktober 2009 mit einer Einführung von Prof. Dr. Althoff und einem Vortrag des Konstanzer Soziologen Prof. Dr. Bernhard Giesen zum Thema „Ritual und Theater“. Sie trägt den Untertitel „Kulturen politisch-religiöser Inszenierung von Otto dem Großen bis zu Barack Obama“.
„Schon seit der Antike ist solchen Ritualen gemein, dass der Charakter der Inszenierung versteckt werden muss. Jedes Ritual, jede Geste, jedes Wort soll so wirken, als ob es nicht vorher abgesprochen sei“, erläuterte Prof. Dr. Althoff. In der Politik sei dieses Verstecken lebensnotwendig: „Nachdem Oskar Lafontaine Rudolf Scharping durch eine Rede gestürzt hat, wurde stets abgelehnt und nie bewiesen, dass dies inszeniert war.“ Ein anderes Beispiel habe die jüngste Bundestagswahl geboten: „Parteimitglieder applaudierten für ihren Kandidaten, egal ob Sieg oder Niederlage.“ (vvm)