Macht und Münzen
Prof. Dr. Thomas Bauer erklärt Symbole der Amtseinsetzung im Islam des 10. Jahrhunderts
Die Amtseinsetzung eines Kalifen im 10. Jahrhundert war laut Islamwissenschaftler Prof. Dr. Thomas Bauer eine anstrengende Sache. „Die Zeremonie dauerte mehrere Tage, praktisch alles, was Rang und Namen hatte, hat dem neuen Herrscher als Zeichen der Huldigung einen Handschlag gegeben. Der neue Kalif wiederum stattete den Wesir, den Kanzleichef und etliche weitere Würdenträger mit Ehrengeschenken aus. Soldaten erhielten einen Extra-Sold, Gesellschafter am Hofe je zwei Goldstücke und Sachgeschenke.“ Mit diesen Details beschreibt ein Augenzeugenbericht aus dem Jahr 908 die Inthronisierung des Kalifen al-Muqtadir bi-llāh. Es gab allerdings für den neuen Herrscher weder eine Salbung, wie Bauer in seinem Vortrag in der Ringvorlesung des Exzellenzclusters betonte, noch eine Weihe oder einen Segen: „Anders als bei europäischen Amtseinsetzungen war kein religiöses Personal anwesend. Man verstand die Amtseinsetzung eher als Vertrag mit der Gemeinschaft.“
Anhand von Münzen und Gedichten der Abbasiden, einer Dynastie, die in einem Zeitraum von 750 bis 1258 in Bagdad als Oberhaupt der Muslime residierte, zeichnete Prof. Bauer nach, wie Herrscher ihre Macht symbolisch untermauerten. Inschriften auf Münzen spiegelten beispielsweise im Laufe der Zeit immer deutlicher die Machtverhältnisse wider. Standen um 750 ausschließlich religiöse Texte auf den Münzen, so prägten bereits 20 Jahre später einzelne Machthaber ihre Namen unter die Ehrungen Gottes und des Propheten Mohammed. Anfang des 9. Jahrhunderts war es dann zu einem Standard geworden, dass neben dem Kalifen auch der von ihm ernannte Thronfolger sowie andere Amtsträger an festgelegten Stellen auf der Vorder- und Rückseite abzulesen waren. Die Münzen des Kalifen al-Muqtadir befolgten dieses Abbasidische Münzprotokoll.
Da es üblich war, einen neuen Kalifen mit einem Inthronisierungsgedicht zu ehren, boten diese Verse eine weitere wichtige Gelegenheit für herrscherliche Repräsentation. Schon daran, wie sich der formale Aufbau der Gedichte änderte, ließen sich Entwicklungen im Machtgefüge ablesen, so Bauer. Er zitierte das entsprechende Gedicht für den Kalifen ar-Rādī bi-llāh (934). Anders als in gewöhnlichen Lobgedichten wird nicht nur der Kalif selbst gepriesen, sondern auch sein Wesir. Geehrt fühlen durften sich auch die Besucher der Ringvorlesung. „Wir sind ein kleines Fach“, hatte Islamwissenschaftler Prof. Dr. Marco Schöller bereits in seiner Begrüßung und Vorstellung des Referenten angekündigt. „Das hier können Sie so nirgends nachlesen, das ist exklusiv.“
Um „Inszenierung herrscherlichen Amtsverständnisses im Mittelalter“ geht es in der nächsten Ringvorlesung am Dienstag, dem 3. November, um 18 Uhr im Hörsaal F2 im Fürstenberghaus am Domplatz 20-22. Dann stellt Prof. Dr. Gerd Althoff, Sprecher des Exzellenzclusters, Anlässe, Leitmotive und Wandel der dazugehörigen Rituale vor. (bhe)
Ein Dirham des Kalifen ar-Radi, Bagdad 941. Genannt werden der Kalif selbst und der Großemir Abu l-Husain Badschkam (rechts) sowie der designierte Thronfolger Abu l-Fadl (links). (Foto: Thomas Bauer)