Antwort: Entscheidend für diese Art Heiligenschein sind Wellen auf dem Wasser und die Trübung des Wassers. Sie wirken hier in kreativer Weise zusammen. Für das Sonnenlicht stellen die Wellen so etwas wie eine quasiperiodische Anordnung von Sammel- und Zerstreuungslinsen dar. Durch die Trübung wird das Licht längs des gesamten Weges durch das Wasser an winzigen Schwebeteilchen gestreut. Es entstehen „Schattenstrahlen“ in Form dunkler Säulen, die sich dem Wellengang der Oberfläche entsprechend in einem ständigen Wechsel zwischen Fokussierung und Defokussierung des Lichts, also zwischen hellen und dunklen Bereichen befinden. Da dieser Wechsel jedoch durch die gesamte durchschaute Wasserschicht hindurch synchron erfolgt, bleibt der Eindruck von Licht- und Schattensäulen erhalten.
Dass die Säulen zusammenzulaufen scheinen, liegt an der perspektivischen Verjüngung, wie man sie beispielsweise von Bahnschienen kennt, die sich im Horizont zu treffen scheinen. Der Gegenpunkt der Sonne wird durch den Kopfschatten des beobachtenden Menschen verdeckt. Und weil dieser nur die Projektion der konvergierenden Schattensäulen auf die Wasseroberfläche sieht, auf der er auch seinen Kopfschatten verortet, scheint es so, als liefen die Schattensäulen auf seinen Kopfschatten zu. Dadurch entsteht insgesamt der Eindruck eines den Kopf umgebenden Strahlenkranzes

H. J. Schlichting