Morphologie im Mittleren Westen
Kai Sina, Inhaber der Lichtenberg-Professur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik (mit dem Schwerpunkt Transatlantische Literaturgeschichte) am Germanistischen Institut der WWU Münster, hält am Donnerstag, 11. November, um 18 Uhr seine Antrittsvorlesung. Sie beschäftigt sich mit dem Thema "Morphologie im Mittleren Westen: Saul Bellow, Goethe und das Problem der offenen Gesellschaft".
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein fungierte Johann Wolfgang von Goethe als eine Art Nationalschriftsteller der USA. In seinem Roman "More Die of Heartbreak" von 1987 blickt der Romancier und Nobelpreisträger Saul Bellow auf diese lange und reichhaltige Tradition zurück. Er fragt, was Goethe Amerikanerinnen und Amerikanern heute noch zu sagen hat. Mit besonderem Interesse diskutiert Bellow in diesem Zusammenhang Goethes Morphologie-Denken: Wie lässt sich die Vorstellung, es gäbe natürliche Gesetzmäßigkeiten, die sowohl die Pflanzen- wie auch die Menschenwelt bestimmen, mit der Erfahrung der Wirklichkeit als chaotisch und kontingent vereinbaren? Bellows Antwort fällt differenziert, aber auch pessimistisch aus. Indem er Goethes Werk hinsichtlich seiner Geltung für die amerikanische Gegenwart noch einmal befragt, erweist sich sein Roman, einerseits, als ein Abgesang. Andererseits drückt sich in ihm exemplarisch die kulturelle Wirkmacht der modernen transatlantischen Literaturgeschichte aus.
Ihr widmet sich die neu am Germanistischen Institut eingerichtete Lichtenberg-Professur. Sie befasst sich mit Phänomenen der Transatlantischen Literatur- und Kulturgeschichte und fokussiert dabei besonders auf die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert. Derzeit arbeitet Prof. Dr. Kai Sina in Kooperation mit dem Thomas Mann House in Pacific Palisades an einem Editionsprojekt zu Thomas Manns Essayistik von 1939 bis 1945. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit der Rezeption der Weimarer Klassik in den USA und mit dem Verhältnis von deutscher Nachkriegsliteratur und amerikanischer Re-Education-Politik.
In dem Blog "Transatlantic Literary History: Notes | Essays | Conversations" werden aktuelle Projekte, allgemeine Fragestellungen und aufschlussreiche Funde im Themenfeld transatlantischer Literaturgeschichte präsentiert. Zuletzt erschien dort ein Beitrag von der DLA-Direktorin Sandra Richter zu "Transatlanticism and Translation", in dem es auch um die Übersetzung von Amanda Gormans Gedicht "The Hill We Climb" geht. Von Kai Sina ist jüngst in der FAZ eine Rezension von Colm Tóibíns Thomas Mann-Romanbiographie "Der Zauberer" erschienen (hier zu finden).
Kai Sinas Antrittsvorlesung am 11. November findet in der Studiobühne der WWU (Domplatz 23) statt (3G-Regel). Der Dekan des Fachbereichs, Prof. Dr. Eric Achermann, spricht ein Grußwort. Zu einem Umtrunk im Anschluss wird herzlich eingeladen. Aufgrund der begrenzten Plätze ist eine vorherige verbindliche Anmeldung bis zum 4. November bei Frau Heide (aheide@uni-muenster.de) erforderlich.