Ansprechpartnerin: Carolin Bohn
Bei der Verwirklichung der Transformation zur Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene wird seit einigen Jahren verstärkt auf sog. informelle deliberative Bürger*innenbeteiligungsverfahren zurückgegriffen. Während diesen Beteiligungsverfahren zahlreiche Potenziale zugesprochen werden (darunter bspw. die gemeinsame Entwicklung nachhaltigkeitsförderlicher Maßnahmen mit Rückgriff auf Alltagswissen der Bürger*innen), werfen sie gleichzeitig viele Herausforderungen und Fragen auf. Darunter sind allgemeinere, bspw. zum Umgang mit ungleicher politischer Beteiligung, aber auch „nachhaltigkeitsspezifischere“, wie die entscheidende Frage: Unter welchen Bedingungen trägt Bürger*innenbeteiligung tatsächlich zur Förderung von Nachhaltigkeit bei?
Hier deutet sich bereits an, dass nachhaltigkeitsorientierte Beteiligungsverfahren durchaus hohe Erwartungen an die teilnehmende Bürger*inenn stellen: sie sollen Zeit in die Auseinandersetzung mit komplexen Themen investieren und dabei, auch wenn sie selbst vielleicht „nicht-nachhaltige“ Einstellungen mitbringen, Entscheidungen im Sinne des Wohles aller heutigen und zukünftigen Generationen treffen. Wie kann das gelingen? Welche Voraussetzungen müssen Bürger*innen dafür mitbringen, welche Rahmenbedingungen müssen in Beteiligungsverfahren geschaffen werden?
Das zentrale Argument dieses Forschungsprojektes, das mit Rückgriff auf Ideen der Umwelttugendethik und der Umweltbürger*innenschaft entwickelt wird, lautet: Damit Bürger*innen im Rahmen deliberativer Beteiligungsverfahren tatsächlich zu nachhaltigkeitsförderlichen Ergebnissen kommen, ist die Tugend der „grünen“ politischen Urteilsbildung unverzichtbar. Das Konzept der „grünen“ politischen Urteilsbildung stellt eine Weiterentwicklung der Aristotelischen phronesis (auch als „praktische Weisheit“ übersetzbar) dar und beschreibt einen komplexen Prozess der gemeinschaftlichen Diskussion, des Beschlusses und der Umsetzung nachhaltigkeitspolitischer Maßnahmen durch Bürger*innen, bei dem das Wohl aller heutigen und zukünftigen Generationen den entscheidenden Maßstab darstellt.
Während der theoretische Beitrag des Forschungsprojektes in der Entwicklung des Begriffes der „grünen“ politischen Urteilsbildung liegt, schlägt es gleichzeitig die Brücke zur Praxis, indem es die Frage untersucht: Welche praktischen Rahmenbedingungen müssen in nachhaltigkeitsorientierten deliberativen Beteiligungsverfahren geschaffen werden, damit die „grüne“ politische Urteilsbildung gelingen kann? Um sie zu beantworten wurden Interviews mit Verwaltungsmitarbeiter*innen, die an entsprechenden Verfahren auf kommunaler Ebene mitgewirkt haben, sowie mit teilnehmenden Bürger*innen geführt. Durch die Auswertung dieser Daten wird das Forschungsprojekt neben dem o.g. theoretischen Mehrwert auch einen praktischen Mehrwert in Form konkreter Empfehlungen zur Gestaltung nachhaltigkeitsförderlicher deliberativer Beteiligungsverfahren entfalten.