Blutgefäße, Lymphgefäße und andere röhrenartige Strukturen

Wie formen sich Transportbahnen im Körper?

Wild gewachsene Lymphgefäße

Im Labor

© Dörte Schulte-Ostermann, Uni Münster
  • Viele Gene des Zebrafischs haben beim Menschen dieselben oder ähnliche Funktionen. Daher eigenen sich Zebrafische sehr gut für die biomedizinische Forschung.
    © Uni Münster - Erk Wibberg
  • Mithilfe der Mikroskopie untersucht unser Team, wie sich genetische Veränderungen bei Zebrafischen beispielsweise auf das Wachstum von Blutgefäßen, Lymphgefäßen und Knochen auswirken.
    © Uni Münster - Erk Wibberg
  • Zebrafischembryonen (hier aufgenommen durch ein Mikroskop) entwickeln sich außerhalb des Mutterleibs und sind in den ersten fünf Tagen durchsichtig. Daher können wir Vorgänge im Organismus in dieser Zeit sogar live beobachten.
    © Dörte Schulte Ostermann - Uni Münster
  • Wenn wir Zebrafischembryonen mit dem Mikroskop untersuchen, platzieren wir sie in einer für sie optimal temperierten Wärmekammer.
    © Uni Münster - Erk Wibberg
  • Rund 400 genetisch veränderte Zebrafischlinien leben im Multiscale Imaging Centre in kleinen Schwärmen. Eine spezielle Filter- und Heizanlage sorgt für eine optimale Wasserqualität und Temperatur.
    © Uni Münster - Erk Wibberg
  • Unter diesen Bedingungen fühlen sich die Fische wohl und vermehren sich schnell. Ein Fischpaar kann an einem Tag Hunderte von Eiern produzieren.
    © Uni Münster - Erk Wibberg
  • Mit dem gentechnischen Verfahren CRISPR/Cas9 („Genschere“) erzeugen wir bestimmte Fischlinien. Dazu injizieren wir Zebrafischembryonen eine RNA-Sequenz, die an das Gen bindet, das wir verändern wollen, und ein Cas9-Protein, das die DNA an der gewünschten Stelle schneidet, so dass das Gen verändert werden kann.
    © Uni Münster - Erk Wibberg
  • Mit einer feinen Nadel werden hier die Komponenten des CRISPR/Cas9-Systems in einen Zebrafischembryo injiziert (aufgenommen durch ein Mikroskop). Aus den Fischen, die aus solchen Embryonen heranwachsen, züchten wir genetisch modifizierte Linien.
    © Dörte Schulte Ostermann - Uni Münster

Lymphgefäße (grün) eines Zebrafischs, die durch ein mutiertes Gen fehlgebildet sind. Pink dargestellt sind die Arterien. / Konfokale Fluoreszenzmikroskopie

Lymphgefäße haben im Körper die wichtige Funktion, Flüssigkeit und Zellen des Immunsystems aus dem Gewebe in den Blutkreislauf zu transportieren. Defekte dieser Gefäße können zu Wassereinlagerungen und einer verminderten Immunfunktion führen. Hier sehen wir Lymphgefäße (grün) in der Kopfregion eines Zebrafischs, die aufgrund einer genetischen Veränderung vermehrt gewachsen sind. Überraschenderweise tritt diese Fehlbildung erst in einem Alter ab etwa drei Monaten auf. In diesem Alter ist das Lymphgefäßsystem normalerweise fertig ausgebildet. Ohne das von uns identifizierte Gen vermehren sich die Lymphgefäßzellen jedoch unkontrolliert weiter.

Wir untersuchen nun, was genauer dahintersteckt, und ob sich dieser Befund mit einem Alterungsprozess bei Menschen vergleichen lässt. In Zellkulturexperimenten können wir das entsprechende Gen auch bei menschlichen Lymphgefäßzellen ausschalten. Wir analysieren, ob die Reaktion auf Proteine, die das Wachstum von Lymphgefäßen anregen, anders ausfällt als bei normalen Zellen, und welche molekularen Signalketten das Gefäßwachstum regulieren. Zusätzlich prüfen wir, ob wir die Prozesse auch bei Mäusen beobachten können. Wenn die Funktion eines Gens bei Fisch und Maus ähnlich ist, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie über die Evolution hinweg auch beim Menschen besteht. Auch bei Menschen gibt es Genmutationen, die zu einem vermehrten Wachstum von Lymphgefäßen und auch Blutgefäßen führen. Diese angeborenen Gefäßfehlbildungen können überall im Körper auftreten, wobei Gefäße in Gewebe eindringen und Organe zerstören können. Auch bei Krebserkrankungen und Entzündungen ist das Wachstum der Lymphgefäße und Blutgefäße verändert. Die grundlegenden Mechanismen zu verstehen, ist Voraussetzung dafür, Möglichkeiten zu finden, wie sich Fehlbildungen verhindern oder rückgängig machen lassen.

Dörte Schulte-Ostermann
Institut für kardiovaskuläre Organogenese und Regeneration, Uni Münster

Blutgefäßen beim Entstehen zusehen

© Sanjay Sunil Kumar, Uni Münster

Rote Blutkörperchen (gelb-orange) strömen durch die Blutgefäße (weiß) eines drei Tage alten Zebrafischs. / Überlagerung von Aufnahmen mehrerer Gewebeschichten mit konfokaler Fluoreszenzmikroskopie

Video: Zoom auf das schlagende Herz sowie die strömenden roten Blutkörperchen in den Blutgefäßen der Kopfregion und im Körper eines Zebrafischs / Weitfeld-Mikroskopie

Wie Blutgefäße wachsen und weitere Organe entstehen, können wir bei Zebrafischen in den ersten fünf Tagen ihres Lebens live beobachten. Denn sie sind in dieser Anfangsphase ihrer Entwicklung transparent und wachsen außerhalb des Mutterleibs. Blutgefäße (weiß) entwickeln sich innerhalb weniger Stunden. Nach 26 Stunden schlägt das Herz, und nach 28 Stunden bewegen sich die ersten roten Blutkörperchen (gelb-orange). Dort, wo im Bild eine Anhäufung der roten Blutkörperchen zu erkennen ist, befindet sich das Herz. Von dort werden die Zellen ins Gefäßsystem gepumpt.

In unserer Forschung suchen wir nach Genen, die für eine gesunde Gefäßbildung verantwortlich sind und deren Defekte beim Menschen zu Erkrankungen führen. Viele Gene des Zebrafischs haben nämlich beim Menschen dieselbe oder eine ähnliche Funktion. Mit dem gentechnischen Verfahren CRISPR/Cas können wir verschiedene Fischstämme erzeugen, bei denen wir Gene gezielt einfügen oder ausschalten. Im Vergleich mit nicht genveränderten Fischen (wie abgebildet) wird deutlich, welches Gen für welchen Entwicklungsschritt verantwortlich ist.

Sanjay Sunil Kumar und Stefan Schulte-Merker
Institut für kardiovaskuläre Organogenese und Regeneration, Uni Münster

Die „Magie“ der Leber in 3D

© Stefanie Bobe, Uni Münster

Netzwerk der Blutgefäße im Leberlappen einer Maus. Für ein geübtes Auge zu erkennen sind Zentralvenen, Äste der Portalvene, die Leberarterien (kleinere Strukturen entlang der Portalvenen) und die Gallenblase (rundlich links von der Bildmitte). / Tiefenkodierte Darstellung aus Aufnahmen mit Lichtblattfluoreszenzmikroskopie

Als einziges menschliches Organ erneuert sich die Leber vollständig, wenn ein Stück von ihr entfernt wird. Sie kann mehr als die Hälfte ihres Gewebes verlieren und sich trotzdem regenerieren. Im Zentrum dieser „Magie“ stehen die Blutgefäße: Denn viele molekulare Signale, die das Gewebewachstum steuern, haben ihren Ursprung in den Blutgefäßzellen. Leberzellen, Lymphgefäße und Gallengänge (nicht abgebildet) organisieren sich um die Blutgefäße herum. Die Eigenschaft der Leber, stark zu wachsen, zeigt sich nicht nur in der Regeneration, sondern auch bei Krankheiten, die häufig zu einer veränderten Gewebestruktur führen. Das betrifft zum Beispiel die Gallengänge, die Transportbahnen, über die Gallenflüssigkeit aus der Leber in den Darm geleitet wird. Bei der Untersuchung von Leberproben in der Pathologie fallen oft Veränderungen im Aussehen der Gallengänge auf. Das schauen wir uns aktuell an Gewebeproben von Mäusen und Menschen an.

Eine Besonderheit unserer Forschung ist, dass wir die Leber in 3D analysieren. Wir glauben, dass wir nur so feine Veränderungen sehen und Muster erkennen können, die in den üblichen histologischen Gewebeschnitten verloren gehen. Diese sind mit knapp drei Mikrometern (also 0,003 Millimetern) Dicke hauchdünn. Mit der Lichtblattmikroskopie können wir hingegen ganze Gewebeblöcke analysieren (bis etwa 1,5 x 1,5 x 0,5 Zentimeter). Für diese besondere Mikroskopietechnik, nehmen wir tausende Schnittbildebenen digital auf und setzen sie am Computer wieder zu einem 3D-Bild zusammen. Im Gegensatz zu echten Gewebeschnitten geht dabei kein Gewebe verloren oder wird gequetscht und verzerrt. Unsere Hoffnung ist, dass sich die in 3D gewonnenen Informationen über die Leberstruktur nutzen lassen, um letztlich auch in dünnen Schnitten Krankheitsursachen erkennen und genauere Diagnosen stellen zu können.

Stefanie Bobe und Friedemann Kiefer
European Institute for Molecular Imaging, Uni Münster

Einzelne Zellen wachsender Luftröhrchen

© Dominique Förster

Ein Ausschnitt des entstehenden Luftröhrensystems (Tracheen) einer Taufliegenlarve. / 3D-Rekonstruktion aus konfokaler Fluoreszenzmikroskopie

Anders als Säugetiere haben Insekten keine Blutgefäße. Ihr Blut – eine farblose Flüssigkeit – fließt in ihrem Körper frei herum und versorgt die Zellen mit Nährstoffen. Die Sauerstoffversorgung erfolgt getrennt davon über ein System aus verzweigten röhrenförmigen Strukturen. Es durchzieht den ganzen Körper der Insekten, ist mit Luft gefüllt und versorgt die Zellen mit Sauerstoff. Diese Tracheen (Luftröhren) ähneln Blutgefäßen und sind ein einfaches System, an dem wir im lebenden Organismus studieren können, wie Gefäße entstehen und Verzweigungsmuster ausbilden.

Weil die Tracheen der Taufliege aus vergleichsweise wenigen Zellen bestehen, lässt sich ihre Entwicklung besonders gut auf Einzelzellebene analysieren. Genau das haben wir hier gemacht. Dazu haben wir die Zellen genetisch so markiert, dass jede Zelle zufällig in einer von drei verschiedenen Farben fluoresziert. Bei einigen Zellen (linke Bildhälfte) haben wir die Oberfläche mit dem Computer visualisiert, um sichtbar zu machen, wie die Zellen sich im Gewebeverband orientieren. Die Tracheen wachsen nämlich, indem sich die einzelnen Zellen entlang der Längsachse der entstehenden Röhre strecken und bewegen. Dieses Zellverhalten ist bei Säugetieren, einschließlich des Menschen, zum Beispiel für eine gesunde Nierenentwicklung wichtig. Im Bild sind Zellen der Tracheen in der Form zu sehen, die sie haben, bevor sie anfangen zu wachsen.

Stefan Luschnig
Institut für Integrative Zellbiologie und Physiologie, Uni Münster
Die Untersuchung stammt aus meiner Zeit an der Universität Zürich.

Sauerstoffversorgung im Taufliegenhirn

© Misra T et al. Biol Open 2017. DOI: 10.1242/bio.018226

Blick in die linke Hirnhälfte einer Taufliegenlarve. Über verzweigte Luftröhren (Tracheen, weiß) wird das Gehirn mit Sauerstoff versorgt. Der Grad der Sauerstoffversorgung (dargestellt in Falschfarben auf einer Skala von lila = viel Sauerstoff, bis rot und gelb = weniger Sauerstoff) hängt mit der Verteilung und Dichte der Luftröhren zusammen. / Computeranalyse auf Basis von konfokaler Fluoreszenzmikroskopie

Video: 3D-Visualisierung der Mikroskopiedaten. Zu sehen sind die Signale von zwei fluoreszierenden Proteinen (rot und grün) in unbearbeiteter Darstellung.

Zellen brauchen Sauerstoff, um zu leben. Wenn während der Entwicklung der Taufliege zu wenig Sauerstoff im Gewebe vorhanden ist, führt dies dazu, dass ihre Luftröhren neue Verzweigungen bilden, über die der Fliegenkörper mit Sauerstoff versorgt wird. Ähnliche Mechanismen wirken bei Säugetieren, einschließlich des Menschen, wenn ein Tumor wächst und die Bildung neuer Blutgefäße anregt, die ihn mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen.

Bis vor einigen Jahren fehlten uns geeignete Werkzeuge, um die Sauerstoffversorgung von Zellen mikroskopisch sichtbar machen zu können. Ein solches Werkzeug haben wir hier entwickelt und damit erstmals Abstufungen in der Sauerstoffversorgung im Gehirn einer Taufliege sichtbar gemacht. Wir haben die Zellen der Taufliege genetisch so markiert, dass jede Zelle zwei verschiedene Proteine produziert, die in unterschiedlichen Farben fluoreszieren. Eins der beiden Proteine (rot) dient als Referenz dafür, wo sich Zellen befinden. Das andere Protein (grün) wird abhängig von Sauerstoff abgebaut – das heißt, je mehr Sauerstoff in der Umgebung vorhanden ist, desto geringer wird die Intensität des grünen Fluoreszenzsignals und umgekehrt. Anhand des Verhältnisses der beiden Signale konnten wir visualisieren, wieviel Sauerstoff in den einzelnen Zellen vorhanden ist. Die Abstufungen haben wir auf einer Farbskala sichtbar gemacht.

Stefan Luschnig
Institut für Integrative Zellbiologie und Physiologie, Uni Münster
Das Bild entstand in einer gemeinsamen Arbeit mit Martin Baccino-Calace, Felix Meyenhofer und Boris Egger, Universität Freiburg (Schweiz).

Krebszellen im Sauerstoffdefizit

© Nadine Bauer, Daniel Beckmann, Uni Münster

Sauerstoffmangel (rot) und Blutgefäße (weiß) in einem Hirntumor (Glioblastom) einer Maus. Im Tumorgewebe wachsen dickere und unregelmäßigere Gefäße als im umliegenden Hirngewebe. Mit einem neuen Bildverarbeitungsverfahren für dreidimensionale Mikroskopie-Datensätze haben wir Zusammenhänge zwischen abnormalen Blutgefäßen und Sauerstoffmangel in Glioblastomen analysiert. / Digitale Rekonstruktion basierend auf Lichtblattfluoreszenzmikroskopie

Video: Darstellung des untersuchten Tumorgewebes in seinen einzelnen digitalen Ebenen und in seiner dreidimensionalen Ausdehnung

Wenn Tumore wachsen, bilden sich in ihnen abnormal geformte Blutgefäße aus, die nicht wie gesunde Blutgefäße funktionieren. Das Tumorgewebe wird infolgedessen schlecht durchblutet und nur mangelhaft mit Sauerstoff versorgt (Hypoxie). Bekannt ist, dass hypoxische Krebszellen oft besonders aggressiv und therapieresistent sind. Für die Behandlung von Glioblastomen – besonders bösartigen Hirntumoren – werden deshalb Medikamente eingesetzt, durch die sich die Struktur der Blutgefäße und somit die Versorgung im Tumor normalisiert. Dadurch erhöht sich auch die Wirksamkeit von Bestrahlungen und Chemotherapien, die häufig mit diesen Medikamenten kombiniert werden. Nach einem ersten Ansprechen auf die Therapie bilden sich Glioblastome jedoch meist aggressiv weiter aus.

Um die Gründe dafür besser zu verstehen, haben wir untersucht, wie sich die Sauerstoffversorgung von Glioblastomen durch diese Therapien genau ändert. Dafür markierten wir menschliche Krebszellen mit einem neuen genetisch kodierten Sensor. Dieser wird von den Tumorzellen produziert und lässt sie unter hypoxischen Bedingungen unter dem Mikroskop fluoreszieren (rot). Die markierten Tumorzellen implantierten wir ins Hirngewebe von Mäusen, wo sie Tumore ausbildeten. Mittels Lichtblattfluoreszenzmikroskopie nahmen wir von diesen Geweben digital tausende Schnittbildebenen auf. Um die riesigen Datensätze zu verarbeiten, entwickelten wir ein neues, auf künstlicher Intelligenz basierendes Verfahren. Dieses ermöglichte, erstmals die Größe und Form der Blutgefäße im Zusammenspiel mit der Sauerstoffversorgung eines Tumors in einem intakten Gewebe (etwa 0,5 x 0,5 x 0,5 cm) digital dreidimensional zu rekonstruieren und zu analysieren. Interessanterweise beobachteten wir, dass sich einige Tumorzellen trotz direkter Nähe zu gesunden Blutgefäßen und somit guter Sauerstoffversorgung weiterhin so verhielten, als würden sie sich in einer hypoxischen Umgebung befinden. Wir vermuten, dass speziell diese Zellen, die wir nun weiter erforschen, besonders aggressiv und therapieresistent sind.

Nadine Bauer und Friedemann Kiefer
European Institute for Molecular Imaging, Uni Münster
Daniel Beckmann und Benjamin Risse
Institut für Geoinformatik, Uni Münster