Immunsystem in Aktion
Eine besonders „hungrige“ Immunzelle
Ein Makrophage (grüne Zellmembran, orangener Zellkern) verschlingt abgestorbene neutrophile Granulozyten (pink). / Konfokale Fluoreszenzmikroskopie
Ein hochkomplexes Abwehrsystem hält unseren Körper im gesunden Gleichgewicht. Daran beteiligt sind verschiedene Arten von Immunzellen. Wir interessieren uns besonders für die Makrophagen. Sie gehören zu den Fresszellen (Phagozyten, von altgriechisch phagein = essen, fressen), kommen in allen Organen vor und beseitigen täglich Milliarden von Zellen, die nach einer gewissen Lebensdauer absterben. Sie nehmen das Zellmaterial über ihre Zellmembran auf und „verdauen“ es. Der hier gezeigte Makrophage in Zellkultur stammt aus dem Bauchfell (Peritoneum) einer Maus. Im Vergleich mit anderen Geweben haben wir beobachtet, dass diese Makrophagen besonders stark darin sind, totes Zellmaterial zu vernichten. Wir haben herausgefunden, dass dies mit einem Rezeptor in ihrer Zellmembran zusammenhängt. Die Zellen produzieren dieses Protein in besonders großer Menge und können abgestorbene Zellen dadurch besonders schnell erkennen.
Neben den Vorgängen im gesunden Organismus untersuchen wir die Rolle von Makrophagen auch bei Entzündungen. Zu Entzündungen kommt es immer, wenn im Körper Gewebe geschädigt wird, beispielsweise bei Erkrankungen wie Infektionen, Infarkten oder Autoimmunerkrankungen. Immunzellen strömen dann aus dem Blut ins Gewebe. Die im Gewebe ansässigen Makrophagen produzieren Signale, die dazu beitragen, diese Immunzellen herbeizuholen und weitere Entzündungsreaktionen anzustoßen. Als erstes vor Ort sind die neutrophilen Granulozyten, später die Monozyten. Sie gehören wie die Makrophagen zu den Fresszellen. Die Monozyten differenzieren sich im Gewebe zu Makrophagen. Uns interessiert, wie sich die Makrophagen dabei molekular an unterschiedliche Gewebe anpassen – und wie sie dazu beitragen, dass sich Entzündungen an einem gewissen Punkt auch wieder auflösen. Denn wenn dies ausbleibt, kann eine Entzündung lebensbedrohlich werden oder chronisch verlaufen.
Irene Aranda Pardos und Noelia Alonso Gonzalez
Institut für Immunologie, Uni Münster
Fressende Zellen in der Hirnhaut
Blick in die Kopfregion eines Zebrafischs. Wir haben entdeckt, dass in den Hirnhäuten bestimmte Zellen vorkommen, die Abfallprodukte aufnehmen können. / Konfokale Fluoreszenzmikroskopie
Mehrere Schichten aus Bindegewebe umgeben das Gehirn und formen eine schützende Hülle – die Hirnhäute. Erst vor wenigen Jahren wurde entdeckt, dass die äußere Hirnhaut bei Fischen, Mäusen und Menschen von Lymphgefäßen durchzogen ist. Von diesen Gefäßen ist bekannt, dass sie Flüssigkeiten und Stoffe aus dem Gewebe abtransportieren. Dadurch rückte in der Forschung die spannende Frage in den Fokus, wie das Gehirn von Abfallstoffen und Fremdkörpern gereinigt wird. Schon lange wissen wir, dass das Gehirn spezialisierte Immunzellen besitzt – die Mikroglia – die solche Stoffe aktiv aufnehmen und neutralisieren können. Bei Zebrafischen haben wir herausgefunden, dass eine bestimmte Zellpopulation in den Hirnhäuten ebenfalls eine solche Aufnahmefunktion hat. Die Hirnhäute schützen das Gehirn mit diesen speziellen Zellen vermutlich zusätzlich. Wir haben gezeigt, dass die Zellen in den Hirnhäuten kleine Substanzen wie Viren sogar besser beseitigen können als die Mikroglia. Bei größeren Substanzen wie Bakterien hingegen arbeiten die Mikroglia effizienter.
Die von uns untersuchten Zellen ähneln Zellen, die die Lymphgefäße auskleiden. Beim hier gezeigten Zebrafisch haben wir Moleküle angefärbt (rötlich und grün), die für solche Lymphgefäßzellen charakteristisch sind. In der linken und rechten Bildhälfte ist zu erkennen, dass Zellen Lymphgefäße geformt haben. Die von uns untersuchten lymphatischen Zellen bilden jedoch keine Gefäße, sondern kommen einzeln vor (grün, Bildmitte). Parallel zu unseren Untersuchungen haben zwei weitere Forschungsgruppen diese Zellpopulation gefunden. Ergänzend zu unseren Ergebnissen wiesen sie nach, dass die Zellen Signale ausschütten, die für das gesunde Wachstum der Blutgefäße wichtig sind. Auch bei Mäusen und Menschen wurden Zellen gefunden, die ähnlich zu sein scheinen. Welche weiteren Funktionen sie möglicherweise haben, wird weiter erforscht.
Katharina Uphoff und Stefan Schulte-Merker
Institut für Kardiovaskuläre Organogenese und Regeneration, Uni Münster
Aktivierte Immunzellen nach einem Schlaganfall
Mikrogliazellen (braun) im Gehirn einer Maus, 14 Tage nach einem Schlaganfall. Lila dargestellt sind die Zellkerne aller anderen Zellen. / Durchlicht-Mikroskopie
Mikroglia sind eine bestimmte Art von Immunzellen im Gehirn. Sie gehören zu den Makrophagen, beseitigen Krankheitserreger und abgestorbene Zellen und tragen zu einer gesunden Funktion der Nervenzellen bei. Wir haben untersucht, wie die Mikroglia nach einem Schlaganfall agieren. Bei einem Schlaganfall wird ein Teil des Gehirns plötzlich nicht mehr richtig durchblutet – meist, weil sich ein Blutgefäß verschließt. Durch die entstehenden Gewebeschäden werden Immunzellen aktiv und es entsteht eine Entzündung. Mikroglia tragen als „Ersthelfer“ dazu bei, dass Nervenzellen überleben, und leiten ein, dass abgestorbene Zellen beseitigt werden. Bei einem schweren Schlaganfall breitet sich die Gewebeschädigung jedoch sehr schnell aus. Die Mikroglia schaffen es nicht, die Schäden zu begrenzen. Dann produzieren sie verstärkt Signale, die weitere Immunzellen aus dem Blut zum Ort der Entzündung leiten. Wird das Entzündungsgeschehen zu massiv, führt dies dazu, dass weitere Nervenzellen absterben.
Wir haben gezeigt, dass sich anhand der Form der Mikroglia unterscheiden lässt, ob sie aktiviert sind oder nicht. Im Gewebeschnitt ist zu sehen, dass einige Zellen lange Fortsätze haben – damit tasten sie ihre Umgebung nach Veränderungen ab. Andere Zellen (oben links) haben deutlich kürze Fortsätze – sie haben ihren Stoffwechsel umgestellt und übernehmen jetzt eine andere Funktion. Diese aktivierten Mikroglia können wir bei Schlaganfallpatienten mit einem klinischen bildgebenden Verfahren, der Positronen-Emissions-Tomographie, bereits sichtbar machen. Durch die Umstellung ihres Stoffwechsels produzieren diese Zellen nämlich vermehrt ein bestimmtes Protein, worüber wir sie erkennen können. Unsere Forschung hat jedoch gezeigt, dass dies nicht bedeutet, dass diese Zellen bereits negativ auf den Krankheitsprozess wirken. Hinter unserer Untersuchung steht die Frage, wie wir sichtbar machen können, ob eine Entzündung einen positiven oder negativen Verlauf nimmt, und in welchem Zeitfenster es sinnvoll ist, mit Medikamenten das Entzündungsgeschehen einzudämmen.
Cristina Barca Romero
European Institute for Molecular Imaging, Uni Münster
Entzündungen im Körper sichtbar machen
Im Labor
Ein neu entwickelter Tracer (gelb-rotes Signal) macht eine Entzündung im Ohr einer Maus sichtbar. Der Tracer hat sich über das Blut im Körper verteilt und ist auch in der Leber zu sehen, weil er von dort ausgeschieden wird. / Gerenderte 3D-Darstellung von PET-MRT-Daten – Positronen-Emissions-Tomographie (PET, gelb-rotes Signal) und Magnetresonanztomographie (MRT, graues Signal)
Wenn im Körper eine Entzündung aufflammt, werden verschiedene Arten von Immunzellen aktiv. Die Zellen, die als erstes in Massen vor Ort sind, sind die neutrophilen Granulozyten. Sie schwimmen im Blut und gelangen von dort sehr schnell in jedes Gewebe. Die aktivierten Zellen schütten Signalmoleküle aus, mit denen sie weitere Immunzellen heranholen – dazu gehören die Monozyten. Diese wandern aus dem Blut sowie aus dem Knochenmark, wo sie produziert werden, und aus der Milz, in der sie gespeichert werden, zum Ort der Entzündung. Wir haben einen neuen Spürstoff (Tracer) entwickelt, mit dem wir sichtbar machen können, wenn diese Zellarten im Organismus bei einer Entzündung aktiv sind. Der Spürstoff bindet an ein bestimmtes Protein, das die Immunzellen dann ausschütten – das Protein S100A9, das im Doppelpack mit dem Protein S100A8 vorkommt. Dieser Proteinverbund ist ein typischer Entzündungsmarker, der in Blutproben von Patienten gemessen werden kann. Wir konnten bei Mäusen zeigen: Je mehr von diesem Proteinverbund in einem Gewebe vorhanden ist, desto höher ist der Grad der Entzündung.
Das bildgebende Verfahren, mit dem wir den Spürstoff sichtbar machen – die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) – ist klinisch etabliert. Der neue Spürstoff könnte somit perspektivisch beim Menschen eingesetzt werden, um Entzündungen zu verorten, ihre Intensität einzuschätzen und Medikationen individuell anzupassen. In der Forschung nutzen wir die neue Bildgebung, um in Krankheitsmodellen zu analysieren, wie gut neue Therapien wirken – beispielsweise bei der Arthritis, einer entzündlichen Gelenkerkrankung. Wir suchen zudem nach Wegen, wie wir modulierend in das Entzündungsgeschehen eingreifen können. Wir wissen bereits: Wenn der Proteinverbund S100A8/A9 nicht als Doppelpack, sondern als Viererpack vorkommt, werden andere Rezeptoren der Immunzellen aktiviert. Dies verändert die entzündungstreibende Aktivität der Immunzellen. Wir wollen nun gezielt die Interaktion des Proteinverbunds S100A8/A9 mit spezifischen Rezeptoren auf den Immunzellen verändern, so dass wir das Entzündungsgeschehen auf das richtige Maß regulieren und positiv auf den Krankheitsverlauf einwirken können.
Sven Hermann
European Institute for Molecular Imaging, Uni Münster
Thomas Vogl
Institut für Immunologie, Uni Münster