Das oppidum „Hunnenring“ bei Nonnweiler-Otzenhausen, Kr. St. Wendel, war in der spätkeltischen Zeit zwischen ca. 150 bis 80 v. Chr. ein wichtiges regionales Zentrum der Besiedlung. Als Besonderheit der Region am „Hunnenring“ erweist es sich, dass spätkeltischen Gräbern Amphoren italischer Provenienz beigegeben sein können. In Bierfeld, Kr. St. Wendel, wurde im September 2013 bei Grabungen der WWU Münster, Abteilung für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie, und der Terrex gGmbH, Forschungsprojekt Ringwall „Hunnenring“ erneut ein Brandgrab mit Amphorenbeigabe ausgegraben.
Das Grab gehört einem Friedhof an, der bereits seit dem Jahre 1906 auf der Flur „Vor dem Erker“ in der Forschungsliteratur bekannt ist. Dort ist der Bauer Nikolaus Brücker beim Pflügen direkt an der Grenze zur Gemarkung des Nachbardorfes Sitzerath auf drei Gräber der beiden Jahrhunderte um Christi Geburt gestoßen und hat diese ausgegraben. Er hat aus einem der Gräber auch eine ganz erhaltene italische Amphore mit der Stempelung RG geborgen. Bei den Neugrabungen im Jahre 2013 sind zunächst zwei Gräber freigelegt worden, die sicher nach Latène D2, vermutlich Phase D2b, datieren. Die reichen Inventare lassen auf die Bestattung jeweils einer Frau und eines Mannes schließen. In den rechteckig ausgehobenen Grabgruben fand man große Geschirrsätze, was für die Region in dieser Zeit bislang nicht nachgewiesen werden konnte. Besonders erwähnenswert sind Drehmühlen aus Basalt, die in zertrümmerten Zustand beim Zuschütten der Gräber Verwendung gefunden hatten. In der Einfüllerde von Grab 1/2013 fand man darüber hinaus 153 Scherben einer Amphore der Variante Dressel 1B. Die Amphorenfragmente lassen darauf schließen, dass das Gefäß in einer Phase der Bestattungszeremonie vor der eigentlichen Grablegung Verwendung gefunden hatte. Diese Beobachtung korrespondiert mit dem Nachweis verbrannter und unverbrannter Gefäße in der Einfüllung dieses Grabes, was auf die Durchführung eines Grabbanketts „westtreverischer“ Prägung im Rahmen der Bestattungsfeierlichkeiten, obgleich insgesamt geringeren Umfangs, schließen lässt.
Die in Bierfeld „Vor dem Erker“ zwischen 2012 und 2014 vom Institut für Geophysik der WWU unter der Leitung von Volkmar Schmidt begleitend zu den Ausgrabungen durchgeführten geophysikalischen Untersuchungen geben linear ausgeprägte geologische Anomalien zu erkennen, lassen aber durch die Verteilung punktuell verteilter Anomalien auch auf einen größeren Friedhof schließen (Abb. 1).
Im September 2014 haben wir erneut Ausgrabungen im Friedhof durchgeführt, welche von der Gerda-Henkel-Stiftung dankenswerterweise durch eine Sachbeihilfe ermöglicht wurden (Abb. 2).
Insgesamt entdeckten wir auf einer Fläche von 440 qm 18 Befunde grabrituellen Charakters, allerdings, wie dies üblich ist, sehr unterschiedlicher Ausprägung. Durch die Ausgrabungen sollte insbesondere zu folgenden Aspekten beigetragen werden: 1) die Position der bereits 1906 freigelegten Gräber zu rekonstruieren; 2) weitere Datierungsanhaltspunkte für die Belegung des Gräberfeldes gewinnen; 3) die Frage zu überprüfen, ob die bislang festgestellten Besonderheiten des geopferten Sachgutes (Drehmühlen aus Basalt, italische Weinamphoren) „Vor dem Erker“ auf quantitativ breiterer Basis in Erscheinung treten. Mehrere Gräber der Stufe Latène D2 (ca. 80-20 v. Chr.) sowie der früheströmischen Periode (ca. 20 v. bis 20 n. Chr.) zeigten erneut ungewöhnliche Ausstattungsmerkmale.
In einem Grab lag ein Mann mit Vollbewaffnung (Schwert, Lanzenspitze, Schildbuckel und Tüllenbeil) bestattet (Abb. 3).
Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser Kelte die Zeit des Gallischen Krieges erlebt hat, dass er vielleicht sogar gegen die Truppen des Imperators Caesar gekämpft hat. Gestorben ist er wohl in der Zeit zwischen 50 und 20 v. Chr. Beerdigt wurde der Krieger voll bewaffnet, vermutlich in einer Kiste aus Holz. Die Grabeinfüllung enthielt zudem u.a. Teile vermutlich eines Rennofens zur Metallschmelze und Scherben zahlreicher Keramikgefäße. Es bestätigt sich hier die Vermutung, dass, je höher der Rang eines Verstorbenen war, desto reichhaltiger die Hinterbliebenen die Grabbeigaben ausgesucht haben. Allen gemein ist den Verstorbenen in Bierfeld jedoch, dass sie zunächst auf einem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Dabei gab es ein Gelage. Die leeren Gefäße zerschlugen die Trauernden. Sie kamen mit der Asche in die Grube, in der aber auch vollständige Gefäße dem Verstorbenen als Beigaben mitgegeben wurden. Je mehr Scherben unterschiedlicher Gefäße, desto mehr Menschen nahmen vermutlich an der Bestattung teil.
Insbesondere ist bei den Neugrabungen 2014 im Bestattungsplatz auf die gelungene Wiederauffindung des Amphorengrabes von 1906 hinzuweisen. Die Tatsache, dass erneut Gräber mit Bruchstücken von zertrümmerten Drehmühlen (Läufer und Unterlieger) entdeckt worden sind, gibt zu Vermutungen über die Funktion und Bedeutung solchen Geräts in den Totenritualen der späten Kelten Anlass. Eine unserer Hypothesen lautet, dass die Mühlen (Abb. 4) während der Bestattungsfeierlichkeiten für das Mahlen von Mehl verwendet und dann nach Zertrümmern im Grabschacht geopfert wurden. Es könnte sich demnach um Ritualgerät für Mehl-Omina (Aleuromantie) gehandelt haben.
Im August und September 2016 fand erneut eine dreiwöchige Grabungskampagne statt (Abb. 5). Wir haben dabei ein weiteres Grab frührömischer Zeitstellung mit einer zertrümmerten Drehmühle entdeckt. Die Interpretation dieser Artefakte im Ritual stellt eine besondere Herausforderung dar.