Unbestreitbar sind Fragen nach der sprachlichen Verfasstheit eines Textes sowohl für die Entwicklungsgeschichte der Literaturwissenschaft als auch für die systematische Bestimmung von 'Literarizität' zentral. Paradoxerweise lässt sich feststellen, dass ein gewisser Interessensverlust an formalen Analyseverfahren, der auf die Konjunktur von Cultural Studies, Genderforschung, Diskursanalyse oder auch Systemtheorie zurückgeführt werden kann, durch eine gegenläufige Bewegung in den Geschichts- und Sozialwissenschaften, bisweilen gar in den Naturwissenschaften kompensiert wird. Diese haben allesamt begonnen, die Rolle der Formgebung in den Modellierungen von Wirklichkeit anhand eines analytischen Instrumentariums zu untersuchen, das mehrheitlich in der heutigen Literaturwissenschaft angesiedelt ist (Narratologie, Rhetorik, Semiotik). Der SFB orientiert sich an einem 'engen' Literaturbegriff; er tut dies, um die Spezifik des Literarischen sowie die Spezifik literaturwissenschaftlicher Methoden, die beide einen profilierten Begriff von Literaturwissenschaft überhaupt erst ermöglichen, in einem interdisziplinären Projekt nicht von vornherein aufs Spiel zu setzen. Dabei ist der Begriff der Form natürlich ein schillernder; gleichwohl lässt sich die Wahl des Begriffs 'Form' nicht bloß mit Verweis auf seine Tradition, sondern auch systematisch dadurch legitimieren, dass er die Fragen nach Struktur, Gattungszugehörigkeit, medialer Spezifik und ästhetischer Faktur zu bezeichnen vermag. Im SFB sind es einem solchen Begriffsumfang entsprechende Fragen, die an die sprachliche Verfasstheit der zu erforschenden Texte herangetragen werden.
Im Hinblick auf die drei Projektbereiche wird gefragt, wie die wechselseitige Gegenstandsnahme (Materialität) von Recht und Literatur sich 'formierend' äußert und dadurch 'transformiert' wird; inwiefern die Vergleichbarkeit (Komparativität) von Recht und Literatur sowie von Rechtskulturen untereinander sich ähnlicher Mittel bedient und wie diese zu analysieren sind; inwiefern und im Hinblick auf welche formalen Aspekte schließlich gesagt werden kann, dass Recht Literatur und Literatur Recht begründet (Konstitutivität).
In diesem Forum geht es folglich um Formanalyse sowie um die Relevanz, die Formkonzepten und Formgebung für die Verfasstheit von rechtlichen und literarischen Texten zukommt. Das Forum stimuliert den Austausch über methodologische Probleme, insbesondere die Operationalisierbarkeit analytischer Verfahren, die bei einer literaturwissenschaftlich informierten Untersuchung rechtlicher Texte angewendet werden. Der Wissenstransfer geht hier – im Unterschied zum Forum Europa – also stärker von der Literaturwissenschaft hin zur Rechtswissenschaft denn von der Rechtswissenschaft hin zur Literaturwissenschaft, fungiert die Form doch als Zentralkonzept der Literaturwissenschaft, während auf Seiten des Rechts die Bedeutung der Form sowohl in der Methodenlehre als auch in der Rechtsgeschichte ein eher vernachlässigtes Thema darstellt.