Wie hängen die mentale und die soziale Dimension des Entscheidens miteinander zusammen? Wird die soziale Rahmung von Entscheidungsphänomenen durch innere, rationale Wahlakte präfiguriert? Oder ist umgekehrt unser Verständnis mentaler Entscheidungen durch das historisch wandelbare soziale Entscheiden bestimmt? Wie verhalten sich normative und deskriptive Konzeptionen mentalen und sozialen Entscheidens zueinander?
Dies sind philosophisch grundlegende Fragen, denen sich jede Entscheidungstheorie zu stellen hat. Ihre Aufhellung soll dazu beitragen, die Potentiale und Grenzen des dominanten Paradigmas der decision sciences zu explizieren, aber auch dazu, die kulturwissenschaftliche Alternative, die der SFB entwickelt hat, in seinen Grundannahmen zu reflektieren und wenn nötig zu korrigieren. Zu diesem Zweck wird eine philosophische Analyse des Begriffsfeldes Entscheiden vorgenommen. Sie soll zu einer Theorie führen, die sensibel gegenüber historisch sich wandelnden Gestalten entscheidungsförmigen Handelns und kontextsensitiv hinsichtlich spezifisch kulturwissenschaftlicher Erkenntnisinteressen am Entscheidungsphänomen ist.
Dabei stand eine Klärung des Verhältnisses insbesondere zweier in unsere alltägliche Sprache eingelassener ‚Grammatiken‘ des Entscheidens im Zentrum: (a) Dezision im Sinne des Sich-Entscheidens als inneren Handelns und (b) Entscheiden als sozial-institutionales Geschehen. Die Leithypothese unseres Projekts lautet, dass eine philosophische Explikation ihren Ausgang von unseren sozialen Zuschreibungspraxen nehmen muss und eine angemessene Theorie das Entscheidungsphänomen als sozial-externalistisches Geschehen fassen sollte. Die gegenteilige Annahme, dass die beiden Grammatiken (a) und (b) als distinkte und klar getrennte Bereiche aufzufassen sind, liegt vielen Handlungs- und Entscheidungstheorien implizit oder explizit zugrunde. Sie wird als unplausibel zurückgewiesen.
Dieses Ziel verfolgte das Projekt zum einen mit einem historisch-systematisch Zugang: der Rekonstruktion der Verhältnisbestimmungen von mentalem und sozial verfasstem Handeln und Entscheiden in der Philosophie Hegels. Zum anderen wurden die modernen Angebote der analytischen Handlungs- wie Autonomietheorie kritisch aufgearbeitet. Dabei wurden die Grundlagen einer kulturwissenschaftlich anschlussfähigen und wissenschaftstheoretisch reflektierten Theorie entscheidungsförmigen Handelns autonomer und über die Zeit hinweg ihr Leben organisierender Personen sichtbar.