Abstract
Im Kontext aktueller Krisen wie der Covid-19-Pandemie und der russischen Invasion in der Ukraine sind online agierende Gruppen, die den gesellschaftlichen Mainstream angreifen und Verschwörungstheorien verbreiten, von besonderer Relevanz. Diese Bewegungen reichen von harmlosen esoterischen Gruppen bis hin zu dezidiert demokratiefeindlichen Bewegungen, die eine Vielzahl gesellschaftlicher Themen aufgreifen und in einer Sammelideologie vereinnahmen. Religion spielt dabei oft eine Rolle als Grundlage der Argumentation.
Die Vernetzungsmöglichkeiten des Internets ermöglichen diesen Bewegungen eine einfache und schnelle Rekrutierung und Mobilisierung sowie die Interaktion mit dem gesellschaftlichen Mainstream. Dabei werden oft unterschiedliche und sogar widersprüchliche Ideologien verquickt, wobei religiöse Elemente eine wichtige Rolle spielen. Dieses Projekt untersucht solche online vernetzten ideologischen Bewegungen mit religiösen Anklängen.
Zunächst soll ein theoretisches Fundament geschaffen und eine empirische Kartographierung neuer ideologischer Bewegungen angestrebt werden, um die inhaltlichen Dimensionen online verbreiteter Verschwörungstheorien und Desinformationen sowie die damit verbundenen Rekrutierungs- und Mobilisierungsversuche und die Vernetzungen auf personeller und inhaltlicher Ebene zu erforschen. Dies erfordert auch die methodische Weiterentwicklung etablierter Verfahren der Text- und Netzwerkanalyse.
Methoden
Das Projekt zielt darauf ab, solche online vernetzten ideologischen Bewegungen mit religiösen Anklängen theoretisch und empirisch zu untersuchen und ihre heterogenen Gruppen und Ansätze für den deutschsprachigen Raum aufzuarbeiten, um eine Übersicht bestehender Gruppierungen und ihrer Diskussion zu erhalten. Das Projekt verfolgt damit drei Ziele.
Zuerst soll der interdisziplinäre Forschungsstand aufgearbeitet und die Literatur systematisiert werden, um ein theoretisches Fundament zu schaffen. Für die theoretische Betrachtung des Phänomens wird eine Mehr-Ebenen-Betrachtung herangezogen, die das Phänomen als eine spezifische Art von Öffentlichkeit betrachtet, innerhalb derer sich soziale Bewegungen und Gemeinschaften ausbilden.
Des Weiteren sollen die empirische Exploration und Erfassung neuer religiös-ideologischer Gruppierungen im Netz sowohl in Struktur wie auch in den Inhalten stattfinden. Nach der Untersuchung der von den Gruppierungen geteilten Inhalte auf Parallelitäten sollen dann die gewonnen Standard-Sets an kommunikativen Elementen und Strukturen zusammengefasst, beschrieben und schließlich in ihrer Logik verstanden werden.
Die methodischen Ziele beinhalten die Entwicklung und Verfeinerung empirischer Methoden zur Analyse solcher Gruppierungen basierend auf dem Spektrum der Computational Methods in der Kommunikationswissenschaft und verwandter Disziplinen. Die Möglichkeiten eines automatisierten Zugangs zu Social-Media-Plattformen, Foren, Blogs und Messenger sollen im Rahmen des Projekts plattformübergreifend ausgelotet werden. Denn die Wanderbewegungen der Akteur*innen zwischen Plattformen erfordern angepasste Erhebungen ggfs. über Plattformen hinweg und eine Anpassung im Zeitverlauf. Zudem sollen die Analyse-Methoden des Natural Language Processings für spezifische Use Cases angepasst sowie alternative Analyse-Verfahren entwickelt werden.