In den langen 1960er Jahren beschleunigte sich in Westeuropa der Wandel im Verhältnis von Religion und zunehmend säkularisierten Gesellschaften. Zugleich waren Industriestädte mit umfassenden sozioökonomischen Transformationsprozessen durch den Niedergang der industriellen Produktion konfrontiert. Neben Politikern, Unternehmern und Gewerkschaften waren auch die Kirchen von den mit diesem Umbruch einhergehenden sozialen und politischen Konflikten herausgefordert. Sie waren potentiell produktive und gestaltende politische wie zivilgesellschaftliche Akteure der betroffenen Stadtgesellschaften.
Daher frage ich in meinem zeithistorischen Habilitationsprojekt, das als ein deutsch-englischer Städtevergleich zwischen Essen und Manchester konzipiert ist, nach der gestaltenden Kraft kirchlicher Akteure, nach Art und Funktionsweisen ihrer diskursiven, politischen und sozialen Partizipation, ihren Ressourcen, Handlungsstrategien und Gestaltungsspielräumen in der Deutung und Bewältigung der sozialen und politischen Herausforderungen des urbanen Strukturwandels. Auch Effekte religionsinterner Dynamiken und religiöser Innovationen werden untersucht.
Methodisch erweitert das zeithistorische Projekt erstmalig Ansätze einer modernen Stadtgeschichte von Industriestädten um die Perspektive einer Religionsgeschichte. Ein mikrohistorischer Fokus ermöglicht die Analyse der Handlungsfelder kirchlicher Akteure bis auf die Ebene der Stadtteile und Pfarreien, in denen sich Kirche und Gesellschaft konkret begegneten.