EXC 2060 A3-30 - Laizität als (post-)koloniale Herausforderung? Religion und Republikanismus in Marseille, 1946 bis 1989

Projektstatus
laufend
Mittelgeber
DFG - Exzellenzcluster
Förderkennzeichen
EXC 2060/1
  • Beschreibung

    Das Projekt untersucht den Zusammenhang von Religion und Republikanismus im (post-)kolonialen Frankreich. Im Mittelpunkt stehen die Debatten und Aushandlungsprozesse um das Schlüsselkonzept der „Laizität". Den Kern bildet eine Fallstudie zu Marseille im Zeitraum von 1946 bis 1989. Dadurch soll der Blick auf die Geschichte der Laizität in Frankreich in zweifacher Weise dezentriert werden: Erstens, in räumlicher Hinsicht, indem mit Marseille eine vermeintlich periphere Stadt ins Zentrum gerückt wird, die nicht nur für eine außergewöhnliche religiöse Vielfalt steht, sondern auch am Schnittpunkt unterschiedlicher Transfer- und Verflechtungsprozesse angesiedelt ist und nicht zuletzt einen zentralen Dreh- und Angelpunkt zwischen Frankreich und seinem (ehemaligen) Kolonialreich bildet. Zweitens, in zeitlicher Perspektive, indem nicht abermals die beiden Hochzeiten französischer Laizitätsdebatten an den Wenden zum 20. bzw. 21. Jahrhundert im Mittelpunkt stehen, sondern die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts, als die „alten" Konflikte zwischen Katholizismus und Staat scheinbar stillgestellt und die „neuen" zwischen Republikanismus und Islam noch nicht prominent auf die Tagesordnung gerückt worden waren. Zugleich fallen in diesen Zeitraum zwei weitere Entwicklungen, die für das Verhältnis von Religion und Politik maßgeblich sind: Erstens, die von den Sozialwissenschaften häufig als „Säkularisierung" gefassten Transformationsprozesse der Nachkriegsjahrzehnte und, zweitens, die mit unterschiedlichen Migrationsbewegungen einhergehende Dekolonisierung. Beides veränderte nicht nur die religiöse Landschaft in Frankreich, sondern brachte auch eine große Bandbreite unterschiedlicher Überzeugungen und Erfahrungen zum Verhältnis von Religion und Politik miteinander ins Spiel. Wie wirkte sich dies auf Ideen und Praxis von Laizität aus? Und inwiefern können die Jahrzehnte zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und den späten 1980er Jahren als Formierungsphase für die aktuellen Auseinandersetzungen um Religion, Republikanismus und Laizität in Frankeich gelten? Eine Untersuchung dieser bisher vernachlässigten Epoche in der Geschichte der Laizität erlaubt es, so die These, heutige Debatten und Konflikte historisch zu kontextualisieren und differenzierter einzuordnen.
  • Personen