In der Religionsgeschichte des 19. Jahrhunderts kommt dem Unitarismus eine herausragende Stellung zu. Die Entwicklung liberaler protestantischer Strömungen in den Vereinigten Staaten von Amerika war maßgeblich unitarisch geprägt und schlug sich auch in der Welt der intellektuellen Eliten nieder, etwa an der Harvard University. Der universalistische und komparatistische Anspruch des Unitarismus führte zu einem der am meisten beachteten Ereignisse der rezenten Religionsgeschichte, dem Weltparlament der Religionen von 1893. Die sozialreformerische Stoßrichtung vieler Unitarier führte zu intensiven Austauschprozessen mit Indien, insbesondere mit den Mitgliedern des bengalischen Brahmo Samaj. Diese Organisation ging aus einer Zusammenarbeit mit protestantischen Missionaren und bengalischen Intellektuellen hervor und bildete eine der einflussreichsten intellektuellen Kräfte der indischen Religionsgeschichte, die auch weltweit viel Beachtung fand. In den USA wurden Brahmo-Schriften unter anderem von Ralph Waldo Emerson, Henry David Thoreau und anderen Transzendentalisten rezipiert und waren für das erwachende Indien-Interesse im 19. Jahrhundert wegweisend.
Das Projekt wird diesbezüglich wichtige Forschungslücken schließen. So wurde zwar in den 1970er Jahren bedeutende Grundlagenforschung über das Verhältnis von Unitarismus und dem Brahmo Samaj geleistet, doch nahm die Forschung seitdem weitgehend entweder die Perspektive britisch-amerikanischer Unitarier ein, oder sie betrachtete den Einfluss unitarischer Ideen auf prominente Brahmos wie Rammohan Roy, ohne den bengalischen Kontext in seinem eigenen Recht zu untersuchen. Innerhalb des britisch-amerikanischen Spektrums ruhte der Fokus wiederum auf Emerson und Thoreau. Dies bringt zwei Probleme mit sich: Zum einen rücken dabei gerade diejenigen Autoren in den Hintergrund, die in Indien stärker rezipiert worden sind, vor allem Theodore Parker; zum anderen harrt die zweite Generation von Unitariern wie James Freeman Clarke oder Moncure Conway tiefergehender Aufarbeitung, zumal sich gerade jene Generation aktiv und unmittelbar mit bengalischen Reformern austauschte.
Es werden die Austauschprozesse zwischen US-amerikanischen Unitariern und bengalischen Reformern aufgearbeitet und in den Kontext einer globalen Religionsgeschichte eingeordnet. Der zeitliche Rahmen wird dafür von den 1850ern bis in die 1890er gesteckt. Zunächst wird die bengalische Übersetzung der Schriften Theodore Parkers analysiert werden. Für die Kontextualisierung der Rezeption Parkers bedarf es weiterhin einer näheren Betrachtung der unitarischen Mission, wobei der Fokus auf die Zersplitterung des Brahmo Samaj und die unterschiedlichen Positionierungen seiner Anhänger gegenüber den sich ebenfalls ausdifferenzierenden Unitariern und Freireligiösen gerichtet wird. Die Dynamik des sich intensivierenden Austauschs zwischen Unitariern der zweiten Generation und bengalischen Reformen wird anhand ausgewählter Fallbeispiele konkretisiert.