Im Zuge der sog. Völkerwanderung (375–568 n. Chr.) wanderten zahlreiche barbarische „Völker" (gentes) ins römische Imperium ein und errichteten dort eigene Herrschaften. Bei diesen gentes handelte es sich keineswegs um homogene Völker, die durch gemeinsame Herkunft und Traditionen gekennzeichnet waren, sondern vielmehr um plurale und heterogen zusammengesetzte Verbände mit unterschiedlichen Ursprüngen, die sich auf unterschiedliche Weise zu einer politischen Einheit verflochten („Ethnogenese"). Ebenso plural wie diese Verbände waren die Reiche, die von barbarischen gentes wie den Goten auf ehemals römischem Boden gegründet wurden. Schließlich bestanden diese Reiche neben den heterogenen barbarischen „Völkern" größtenteils aus einer nicht minder heterogen zusammengesetzten einheimischen Bevölkerung, deren Angehörige in der deutschsprachigen Forschung oft vereinfachend als „Romanen" bezeichnet werden. Innerhalb dieser Reiche waren also verschiedene Ethnien („Barbaren" und „Romanen") sowie verschiedene Religionen bzw. Konfessionen (Katholiken, Arianer, „Heiden", Juden etc.) in unterschiedlich starkem Maße miteinander verflochten.
Im Rahmen des Projekts wird in einem ersten Schritt untersucht, welche Rolle Religion in diesen Verflechtungsprozessen spielte: War etwa gemeinsame Religionszugehörigkeit vonnöten, damit sich Menschen unterschiedlicher Herkunft zu einer gens zusammenschlossen, oder konnten auch Menschen verschiedenen Glaubens eine gens bilden? Welcher Stellenwert kam Religion im Hinblick auf die Verflechtungen zwischen Römern und Barbaren zu? In einem zweiten Schritt fragt das Projekt danach, welche Bedeutung Religion hatte, als es zu Konflikten und damit einhergehenden Entflechtungen zwischen Barbaren und Romanen kam. So soll beispielsweise betrachtet werden, ob der religiöse Gegensatz zwischen Arianern und Katholiken tatsächlich der Hauptgrund für das Scheitern der Ostgoten in Italien war.