Emotion und Religion in Krisenzeiten
Internationale Tagung am Exzellenzcluster
Religion wird nicht selten mit Emotion in Verbindung gebracht – ob zu Recht oder zu Unrecht, hängt von dem verwendeten Begriff der Emotion ab. Die breit interdisziplinär angelegte Tagung geht dieser Frage im Rahmen des Themenjahres „Religiöse Dynamiken“ am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ nach und diskutiert das komplexe Verhältnis von Emotion und Religion. Sie geht zum einen davon aus, dass in Krisenzeiten, in denen politische und weltanschauliche Orientierungen an Verbindlichkeit verlieren, Religion und das Religiöse eine emotionale Dynamisierung erfahren. Zum anderen nimmt sie auch in den Blick, dass Religion selbst zum Krisenfaktor und -phänomen wird.
Als Beispiel kann der Dreißigjährige Krieg angeführt werden, der Europa in gewaltsame politische Wirren stürzte und dabei Religion, die einerseits Motor und Auslöser des Konflikts war, in einer Weise funktionalisierte, dass Glaubensgewissheiten der Menschen in Frage gestellt und herausgefordert wurden. Literatur und bildende Kunst stellen dies in eindrücklichen Bildern dar. Ein anderes Beispiel ist die klassische Moderne, in der durch wissenschaftlichen Fortschritt, Industrialisierung, Kolonialisierung und die Erfahrung des Ersten Weltkriegs vertraute europäische Weltbilder aufbrachen und neue religiöse Bestrebungen jenseits der Amtskirchen auf den Plan traten.
In der Gegenwart führen Krisenwahrnehmungen zum Beispiel im Kontext von Klimawandel, Migration oder Pandemie zu neuen emotionalen Dynamiken im Hinblick auf Religion. Gleichzeitig tragen Machtmissbrauch und Missbrauchsskandale in den christlichen Kirchen zur Emotionalisierung des öffentlichen Bewusstseins bei. Der Krise der christlichen Kirchen, bedingt durch Mitgliederschwund und Geltungsverlust, steht, nicht zuletzt vermittelt durch mediale Bilder, die Wahrnehmung einer gesteigerten und oftmals als bedrohlich empfundenen weltweiten politischen Präsenz des Religiösen gegenüber.
Die Tagung möchte die Rolle der Emotionen in den Dynamiken dieser Prozesse verstehen und dabei den Komplex der Emotionen (,Gefühl‘, ,Emotion‘, ,Affekt‘) systematisch und historisch auffächern und im Hinblick auf religiöse Wandlungsprozesse neu durchdenken. (exc/sca)