„Der Buddhismus ist keine Pop-Religion“
Religionswissenschaftler Perry Schmidt-Leukel vom Exzellenzcluster legt umfassende Einführung in Geschichte und Gegenwart des Buddhismus vor – Autor widerlegt westliche Klischees – „Rosarote Brille ablegen“ – Buddhismus war und ist weniger friedliebend als gedacht – Keine Religion „ohne Gott“ – Benachteiligung von Frauen – Haltung zum Umweltschutz zwiespältig – Spannung zu westlichen Prinzipien wie Liberalismus und Menschenrechten
Pressemitteilung des Exzellenzclusters vom 4. Juli 2017
Westliche Beobachter sehen den Buddhismus laut Religionswissenschaftlern zu sehr durch eine „rosarote Brille“. „Während er früher und teils heute noch als pessimistisch und nihilistisch wahrgenommen wurde, finden sich inzwischen zahlreiche Klischees vom Buddhismus als leichter Pop-Religion, friedfertig und tolerant, als Spiritualität ohne Dogmen und Glaubensvorstellungen, gar ohne Gott“, schreibt der Religionswissenschaftler und anglikanische Theologe Prof. Dr. Perry Schmidt-Leukel vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster in seinem neuen Einführungsband „Buddhismus verstehen“ aus dem Gütersloher Verlagshaus. Oft gelte der Buddhismus im Westen nicht einmal als Religion, sondern „als Weisheits-Psychologie, Lifestyle oder modische Weltanschauung, besonders geeignet für den etwas erschlafften, aber wohlhabenden, postmodernen Intellektuellen.“ Das sei auch auf Unzufriedenheit mit kirchlichen Formen des Christentums zurückzuführen, habe aber nichts mit der Realität des heutigen asiatischen Buddhismus und des klassischen Buddhismus zu tun, so der Forscher, der am Exzellenzcluster das Verhältnis der Weltreligionen untereinander erforscht.
Der Einführungsband führt in zweieinhalb Tausend Jahre Geschichte und Ideenwelt des Buddhismus ein. Der Religionswissenschaftler widerlegt darin anhand einer Vielzahl buddhistischer Quellen und historischer und theologischer Ausführungen zahlreiche ältere und neuere Klischees. So sei der Buddhismus nicht einfach eine „Religion ohne Gott, nur weil er nicht um einen Schöpfergott kreist“. Auch werde in seinem Namen bis heute Gewalt angewendet. Wichtige buddhistische Strömungen lehnten westliche Prinzipien wie Liberalismus, Individualismus, Menschenrechte und Demokratie ab, heißt es weiter in dem Buch. Vom positiven Image im Westen weiche zudem ab, dass Frauen im Buddhismus lange Zeit ähnlich benachteiligt worden seien wie in anderen Weltreligionen. Auch stelle der Buddhismus in seinen Grundsätzen den Menschen über die Natur und sei daher keineswegs immer „naturfreundlich“, wie es der moderne Öko-Buddhismus behaupte. „Überhaupt ist die Vielfalt an Strömungen und regionalen Ausprägungen der Weltreligion Buddhismus im Westen weithin unbekannt“, so Schmidt-Leukel. „Dabei hat jede Religion eine enorme Bandbreite an innerreligiösen, teils gegensätzlichen Ausprägungen.“
Buddhismus und Politik
Der Wissenschaftler zeichnet in dem Band mit dem Untertitel „Geschichte und Ideenwelt einer ungewöhnlichen Religion“ die Entwicklung buddhistischer Glaubensvorstellungen nach, von den Grundlehren des frühen Buddhismus bis zu seinen vielfältigen Weiterentwicklungen. Er beleuchtet außerdem in vielen Facetten das Verhältnis von Buddhismus und Politik sowie Buddhismus und Moderne. Er erläutert die Bedeutung von Buddha Siddhārtha Gautama im Wandel der Zeiten, der Meditation, Ethik und Gemeinschaft, die Lehren des Mahāyāna Buddhismus, des Tantrismus sowie des chinesischen und japanischen Buddhismus. Eine besondere Herausforderung stelle die Haltung des Buddhismus zur Vielfalt an Religionen in vielen Ländern dar, so Schmidt-Leukel. „Wie alle anderen Religionen sollte der Buddhismus seinen Anspruch auf Überlegenheit gegenüber den anderen überdenken.“
Das Buch erschien zuerst auf Englisch unter dem Titel „Understanding Buddhism“ im Verlag Dunedin Academic Press in Edinburgh. Das Buch stieß auf viel Lob, etwa des britischen Religionsphilosophen John Hick und des buddhistischen „Vipassanaforums“, das den Band eine der besten Buddhismus-Einführungen nannte. Prof. Dr. Perry Schmidt-Leukel leitet am Exzellenzcluster das Projekt C2-16 „Interreligiöse Theologie“. Er hat zahlreiche Publikationen dazu vorgelegt. Jüngst erschien ein Kompendium über die Beziehungen zwischen Buddhisten und Christen in buddhistisch geprägten Ländern Asiens. Das englischsprachige Buch ist unter dem Titel „Buddhist-Christian Relations in Asia “ im Verlag EOS Editions in Sankt Ottilien erschienen. (dak/vvm)