Frühkindliche Bildung - Entwicklungsangemessene Förderung
Frühkindliche Bildung und Förderung werden im BIKO-Konzept gleichermaßen als Durchführung spielerischer Bildungsangebote mit entwicklungsangemessenem Material verstanden.
Bildung und Förderung - sowie ganz allgemein die Entstehung neuer Kompetenzen - folgen einem gleichen Entwicklungsschema:
Nach dem Entwicklungsmodell von Lew S. Wygotski vollzieht sich menschlicher Kompetenzerwerb als ein sozialer Prozess, in dem das Kind mit einem „kompetenten Partner“ (z. B. Erzieherin, Mutter, Kind etc) bezogen auf einen Lernegenstand gemeinsam handelt. In solchen Dreiecksbeziehungen (Kind – Lerngegenstand – kompetenter Partner) werden alle Kompetenzen des Kindes z. B. emotionale, motivationale, sprachliche und später auch schriftsprachliche und mathematische Kompetenzen schrittweise gebildet (ko-konstruiert).
Ausgangspunkt der gemeinsamen Handlung (Interaktion) ist das aktuelle Handlungsniveau eines Kindes (Eigenaktivität); damit gemeint sind all diejenigen Kompetenzen, die ein Kind in seinen spontanen Handlungen bereits ohne Hilfe zeigt (Zone seiner aktuellen Entwicklung). Im Vergleich zur Eigenaktivität des Kindes verfügt ein Erwachsener oder ein älteres Kind bereits über die nächst höhere(n) Kompetenzstufe(n) in seinem Handlungsrepertoire. In einer gemeinsamen Handlungssituation bildet die nächst höhere Kompetenzstufe die Zone der nächsten Entwicklung für das jüngere Kind.
Die Entwicklungspsychologin Barbara Rogoff hat für die Rolle des Erwachsenen in der Interaktion mit dem Kind das Bild vom „Gerüste bauen“ geprägt: So wie für den Bau eines hohen Gebäudes zunächst ein äußeres Gerüst als Stütze vonnöten ist, das im Verlauf des „Baufortschritts“ mit wächst und nach Fertigstellung entfernt wird, so ist für den Aufbau kindlicher Kompetenzen ein soziales „Gerüst“ vonnöten, das nach erfolgreicher Aneignung durch das Kind ebenso entfallen kann.
Ein solches Gerüst zum Aufbau kindlicher Kompetenzen kommt dann zum Einsatz, wenn in einer Interaktion zwischen Kind und Erwachsenem die Handlungen des Kindes genau in seiner Zone der nächsten Entwicklung herausgefordert werden. Hier hat dann das Gerüst die Aufgabe, die noch ersten Handlungsversuche des Kindes zu motivieren, zu orientieren, zu unterstützen, zu modellieren, zu erweitern, zu korrigieren, zu verallgemeinern, zu sichern ..., bis es dem Kind auch ohne diese „Hilfen“ gelingt, auf dem höheren Niveau selbständig zu handeln. Solche Gestaltungen der Zone der nächsten Entwicklung als Bildung oder Förderung von Kindern finden sich in Alltagssituationen, im gemeinsamen Spiel und auch als bewusst gestaltete Lernsituationen.
Als Gestaltungen der Zone der nächsten Entwicklung als Bildungsangebote für Drei bis Sechsjährige bieten sich also neben Alltagshandlungen insbesondere Spielsituationen an. Spielsituationen deshalb, weil die prozessorientierte Struktur der Spieltätigkeit (im Unterschied zur zielorientierten Tätigkeitsstruktur des Erwachsenen) dem Entwicklungsniveau der kindlichen Tätigkeitsstruktur am besten entspricht und die Kinder daher im Spiel motivational und emotional nicht überfordert werden. Dabei kommt je nach Bildungsbereich und Kompetenzniveau des Kindes spezifisches (Spiel-)Material zum Einsatz. Auch wenn Kinder mit fast jedem Material spielen können, ist nicht gleich jedes Spiel ein Bildungsmittel. Wir bezeichnen ein Spiel als entwicklungsangemesses Bildungsmittel, wenn es eine Spielhandlung vom Kind verlangt, die genau in seiner Zone der nächsten Entwicklung liegt und diese (Spiel-)Handlung darüber hinaus das Kind eine bereichsspezifische Kompetenz z.B. den Zusammenhang von Mengen und Zahlen im konkreten Handeln erfahren lässt.
Um Elementarpädagogen eine Hilfestellung zu bieten, Spiele nach Entwicklungsmeilensteinen zu gliedern und so als Bildungsmittel für ein Kind in seiner Zone der nächsten Entwicklung einsetzen zu können, haben wir im BIKO-Projekt (1) Entwicklungsmeilensteine der mathematischen und schriftsprachlichen Basiskompetenzen beschrieben, (2) die nach diesem Meilensteinen gegliederte "Förderspielekartei" entwickelt.
Für ausgewählte Kinder, die Förderung im Sinne eines systematischen Angebots benötigen, haben wir (3) ein Schema zur Planung und Dokumentation des Einsatzes solcher Spiele entwickelt („Entwicklungsplan“).