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Sprache lernen, Sprache lehren

Studierende geben zugewanderten Kindern und Jugendlichen Förderunterricht und erhalten dabei Einblicke in die schulische Praxis
Kind bei den Hausaufgaben
Das Projekt "Sprachförderung von Kindern und Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte" ist seit 2016 erfolgreich.
© Tinvo / Photocase.com

Adventskranz, Kekse backen, Geschenke auspacken ... Mit großem Eifer überlegen vier Fünftklässlerinnen, was ihnen zu Weihnachten einfällt. Die Tafel füllt sich mit zahlreichen Begriffen. "Wie schreibt man ‚Kerzen anzünden‘", will eine Schülerin wissen. Lehramtsstudentin Katharina Duhme buchstabiert ihr das Wort. "Ich liebe Weihnachten", entgegnet das Mädchen fröhlich und schreibt auch diesen Satz an. In ihrer Heimat hat sie das christliche Fest nie gefeiert. Zweimal pro Woche gibt Katharina Duhme der kleinen Gruppe am münsterschen Schlaun-Gymnasium eine Doppelstunde Sprachförderunterricht. Passend zur Adventszeit hat sie das Thema Weihnachten auf den Stundenplan gesetzt.

Seit 2016 bietet das Projekt "Sprachförderung von Kindern und Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte" Lehramtsstudierenden die Möglichkeit, Berufserfahrung im Bereich der Sprachförderung zu sammeln. Es basiert auf einer Kooperation zwischen dem Amt für Schule und Weiterbildung der Stadt Münster und dem Centrum für Mehrsprachigkeit und Spracherwerb (CEMES) der WWU, das gemeinsam von Prof. Dr. Christine Dimroth und Prof. Dr. Juliane Stude geleitet wird. Katharina Duhme ist bereits zum dritten Mal dabei. "Neben den Unterrichtserfahrungen gefällt mir vor allem, dass man die Schulstrukturen besser kennenlernt und Kontakte zu erfahrenen Kollegen knüpfen kann", sagt die 24-Jährige, die Latein und Biologie studiert. "Im Lateinstudium betrachtet man die Grammatik auf einer Metaebene. Das ist für den Deutschunterricht sehr hilfreich."

18 Studierende der WWU sind in diesem Schuljahr an verschiedenen Schulen als Sprachlehrkräfte im Einsatz. Dafür erhalten sie ein Honorar, das genauso vom Schulamt finanziert wird wie die Lehrtätigkeit von Dr. Florian Koch und Jasmin Zielonka, die ein Vorbereitungsseminar und begleitende Workshops für die Studierenden anbieten. Die Seminarteilnahme können sich die Studierenden für ausgewählte Module ihres regulären Lehramtsstudiums anrechnen lassen.

Philipp Böing nimmt zum ersten Mal teil. Er studiert Latein und Sport auf Lehramt. Während Katharina Duhme ihren Unterricht für diesen Tag beendet hat, diktiert der 21-Jährige in einem anderen Klassenraum vier Sechstklässlern kurze Texte über Raumfahrt und Vulkane. Anschließend bespricht er mit ihnen die schwierigen Wörter. "Selbst zu unterrichten, ohne dass jemand dabei ist, ist schon eine Herausforderung", stellt er fest. Einen einheitlichen Lehrplan für den Sprachförderunterricht gibt es nicht – die Inhalte orientieren sich am Bedarf der Schülerinnen und Schüler. Bei der Vorbereitung ist viel Eigeninitiative gefragt.

Unterstützung erhalten die studentischen Sprachlehrkräfte am Schlaun-Gymnasium von der stellvertretenden Schulleiterin Angelika Elsermann und von Lehrerkollegen, die ebenfalls im Bereich Deutsch als Zweitsprache (DaZ) tätig sind. "Für uns sind die Studierenden eine dankbare personelle Entlastung. Mit ihrer Hilfe können wir 30 Kinder aus Flüchtlingsfamilien in kleinen Gruppen individuell betreuen und fördern", betont Angelika Elsermann. Am Schlaun-Gymnasium gebe es schon lange gute DaZ-Strukturen und einen regen Austausch unter allen Beteiligten. Die Studierenden seien mittlerweile fest im Kollegium integriert.

Insgesamt sei das Projekt eine Win-win-Situation für alle Beteiligten, sagt auch Juliane Stude. "Das Unterrichten von Kindern mit Zuwanderungsgeschichte gehört mittlerweile zum Berufsalltag. Durch das Projekt erweitern die Studierenden zudem ihre Kenntnisse in der Planung und Durchführung von eigenständigem Unterricht. So erhalten sie konkrete Einblicke in die fachlichen Herausforderungen." Dies schärfe nicht zuletzt auch ihren Blick für die Relevanz der im Studium vermittelten Inhalte.

"Der Sprachförderunterricht hat meine Perspektive tatsächlich sehr verändert", bestätigt Katharina Duhme. "Ich nehme die Kinder und Jugendlichen nicht einfach nur als Schüler, sondern als Individuen mit einer eigenen Geschichte wahr." Neben dem eigentlichen Sprachunterricht sei gerade bei jüngeren Schülern auch viel Erziehungsarbeit notwendig. "Im Begleitseminar besprechen wir allgemeine Themen wie Zuwanderung, aber auch, wo wir Unterrichtsmaterial bekommen und wie man sinnvoll didaktisch vorgehen kann. Das ist sehr hilfreich", ergänzt Philipp Böing.

Als der Leiter des Amtes für Schule und Weiterbildung der Stadt Münster, Klaus Ehling, angesichts des gestiegenen Anteils von Kindern mit Migrationshintergrund vor drei Jahren an die WWU herantrat, war zunächst eine einjährige Projektlaufzeit geplant. "Es freut uns sehr, dass wir mittlerweile in die dritte Runde starten konnten", resümiert Juliane Stude. Bislang seien alle Beteiligten an einer Fortführung interessiert. Für jedes Schuljahr gibt es eine neue Ausschreibung, auf die sich Studierende bewerben können, die mindestens das dritte Fachsemester Germanistik beziehungsweise Lehramt Deutsch oder eines Fremdsprachenstudiums abgeschlossen haben. Absolventen des am Germanistischen Institut angesiedelten Zertifikats "Deutsch als Zweitsprache/Fremdsprache" können ebenfalls teilnehmen. Nach Abschluss des Schuljahres erhalten alle Studierenden eine Urkunde.

Autorin: Julia Harth

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben, Nr. 8, 12. Dezember 2018.

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Centrum für Mehrsprachigkeit und Spracherwerb (CEMES)