Zwölf Monate, zwölf Menschen/FB09
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Ein Kosmos zwischen zwei Buchdeckeln

Über Jahrzehnte hat sich Prof. Dr. Katrin Kogman-Appel als Expertin für jüdische Buchkultur einen Namen gemacht. Im Mai nahm die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste sie als neues Mitglied auf.
Prof. Dr. Katrin Kogman-Appel
Zur ‚Goldenen Haggada‘, ein um 1320 entstandener hebräischer Codex, hat Katrin Kogman-Appel zehn Jahre lang geforscht. Für die Ausstellung „Körper. Kult. Religion.“ des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ im Archäologischen Museum hat sie ein Faksimile beigetragen.
© Nika Gais

Bücher enthalten nicht nur Geschichten, sie erzählen auch welche. Das wird deutlich, wenn man Prof. Dr. Katrin Kogman-Appel zuhört. Die Judaistin und Kunsthistorikerin hat sich der jüdischen Buchkultur verschrieben. Ihr Interesse an Geschichte wurde schon in der Kindheit geweckt, als ihr Vater sie zu einer römischen Ausgrabung mitnahm. Im Studium der Judaistik an der Universität Wien entwickelte sich ihr Schwerpunkt, dem sie seitdem treu geblieben ist: „Ein Professor arbeitete zu diesem Thema und hat es verstanden, seine Begeisterung an die Studierenden weiterzugeben.“ Heute ist Katrin Kogman-Appel eine weltweit führende Expertin für die jüdische Kunstgeschichte des Mittelalters.

Besonders die Übergangszeit vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit hat es ihr angetan. „Es gibt die Vorstellung, dass der Buchdruck Mitte des 15. Jahrhunderts plötzlich alles änderte. Tatsächlich setzte sich die Neuerung aber eher fließend durch, der Übergang dauerte etwa hundert Jahre“, stellt Katrin Kogman-Appel klar. Woran macht sie diesen allmählichen Wandel fest? „Ein neues Medium orientiert sich zunächst immer am Vorgänger, bis es seine eigene Form findet. Die ersten gedruckten Bücher hatten ähnliche Formate wie Handschriften, auch die Schriftarten sind ähnlich ausgelegt.“ Die Handschriftenkultur ging auch nach Erfindung des Buchdrucks weiter. Besonders kunstvoll gestaltete Bände wurden zu wertvollen Statussymbolen für Sammler und erfuhren damit eine Aufwertung, obwohl – oder gerade weil – sich gleichzeitig die neue Drucktechnik etablierte. Lange lag der kunstgeschichtliche Fokus auf den Illustrationen der Bücher. Katrin Kogman-Appel beleuchtet darüber hinaus auch Fragen der Ausstattung und des verwendeten Materials. Zudem interessiert sie der praktische Umgang: „Wer hatte zu der Zeit überhaupt Bücher, wer kaufte sie? Die große Veränderung bestand zunächst weniger in der Buchgestaltung als vielmehr in der Distribution.“ Solche Fragen lassen sie tief in die Kulturgeschichte vergangener Zeiten eintauchen.

Die Verbindung von sozial- und religionsgeschichtlichen Ansätzen prägt ihre Arbeit. Wegweisend ist ihre Forschung zur Prachthandschrift ‚Leipziger Machsor‘, ein Gebetbuch für jüdische Festtage aus dem frühen 14. Jahrhundert. Ihr interdisziplinärer Zugang wurde auch von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste anerkannt. Nach zahlreichen Auszeichnungen wie den „Bezalel, Mordechai und Nessia Narkiss-Preis“ für hervorragende Forschung in der jüdischen Kunstgeschichte 2013 sowie die 2015 verliehene Alexander von Humboldt-Professur wurde Katrin Kogman-Appel im Mai in die Gelehrten-Gemeinschaft aufgenommen. „Diese Anerkennung meiner Arbeit ehrt mich“, betont sie. Die Akademie bietet seit 1970 ein Forum für den interdisziplinären Austausch zwischen exzellenten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie renommierten Kunstschaffenden. An der Akademie schätzt die Wissenschaftlerin vor allem die fächerübergreifende Inspiration in der Klasse für Geisteswissenschaften. „Mich interessieren besonders übergeordnete Fragen von Prozessen des Kulturaustauschs zwischen Judentum, Christentum und Islam. Die Gespräche inspirieren meine weitere Forschung.“

Diese betreibt Katrin Kogman-Appel seit 2015 als Professorin für Jüdische Studien am Exzellenzcluster „Religion und Politik“. Nach ihrem Studium der Judaistik, Kunstgeschichte und Geschichte lehrte und forschte sie zunächst in Wien und Jerusalem, wo sie 1993 in jüdischer Kunstgeschichte promovierte. Ihre Arbeit führte sie in die USA und schließlich für zwanzig Jahre nach Israel an die Ben-Gurion-Universität des Negev in Beer-Sheva. Von 2014 bis 2015 war sie Fellow am Israel Institute for Advanced Studies an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Heute pendelt sie zwischen Münster und Jerusalem: Ihr Mann und zwei der drei erwachsenen Kinder leben in Israel, die Semesterferien verbringt sie dort. In ihrer knappen Freizeit besucht sie gerne Museen. Passenderweise hat sie für die Ausstellung „Körper. Kult. Religion.“ des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ mehrere Exponate beigetragen – teilweise im wahrsten Sinne des Wortes: Die Fotografien von Lea Golda Holtermann nahm sie im Handgepäck auf dem Rückflug von Israel mit, da wegen eines Feiertags Personalmangel herrschte und keine professionelle Verfrachtung möglich war. „Die Situation war kurios, aber die Exponate sind heil angekommen“, betont sie.

Autorin: Anke Poppen

Dieser Beitrag stammt aus der Broschüre „Zwölf Monate, zwölf Menschen“, erschienen im Februar 2025.

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Institut für Jüdische Studien

Professor Dr. Katrin Kogman-Appel

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