Neue Emmy Noether-Nachwuchsgruppe am Institut für Ägyptologie und Koptologie

"Bāḥra ḥassāb: Wissensüberlieferung in Äthiopien und Eritrea von der Antike bis zur Neuzeit" heißt die Emmy Noether-Nachwuchsgruppe, die seit Januar von Dr. Daria Elagina am Institut für Ägyptologie und Koptologie der Universität Münster aufgebaut wird. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Forschungsvorhaben mit rund 1,3 Millionen Euro.
Das Hochland von Eritrea und Nordäthiopien, ein Land der schriftlichen Zivilisation aus dem 1. Jahrtausend v. Chr., ist ein Kulturraum mit einer besonders langen und ununterbrochenen Manuskripttradition. Neben anderem literarischem Erbe hat die Manuskriptkultur Äthiopiens und Eritreas über viele Jahrhunderte hinweg ein Korpus von Texten und grafischen Elementen überliefert, das konventionell als "bāḥra ḥassāb" bezeichnet wird. Es vermittelt traditionelles Wissen zum Kalender, zur Chronologie, Astronomie, Kosmologie, Astrologie, Meteorologie, zu Orientierungen, Wahrsagerei und viele weitere Aspekte. Viele Elemente dieses Korpus sind ausländischen (zum Beispiel hellenistischen, arabischen oder europäischen) Ursprungs. Diese fremden Elemente waren in die äthiopische Manuskriptkultur integriert und prägten eine lokale Wissenstradition, die bis heute überlebt hat.

Das Korpus von "bāḥra ḥassāb" ist ein bedeutendes Element der Kultur Äthiopiens und Eritreas, eine wichtige Quelle für den Vergleich mit anderen Manuskriptkulturen und ein besonderes Beispiel einer nicht-westlichen epistemischen, also Wissenstradition. Trotz einiger wichtiger und tiefgreifender Beiträge sind Umfang, Ursprung und Elemente dieses Korpus bislang wenig erforscht. Die neue Emmy Noether-Gruppe untersucht die Texte nun erstmals umfassend aus philologischer und manuskriptologischer Perspektive. Ziel ist es, ein systematisches und umfassendes Verständnis von "bāḥra ḥassāb" zu erstellen: seinem Repertoire, seinen Themen, seinem Ursprung und seiner historischen Entwicklung als Weltkulturphänomen. Die Analyse der Wissenstradition einer nicht-westlichen Kultur soll die Sammlung auch für die interdisziplinäre und interkulturelle Forschung zu historischer Zeitrechnung, Wahrsagerei, und Epistemologie erschließen. Über eine Projekt-Website werden aktuelle Forschungsergebnisse, z.B. die Bibliografie und digitale Datenbanken, zugänglich gemacht werden.
Das Emmy Noether-Programm der DFG
Das Emmy Noether-Programm eröffnet herausragend qualifizierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in frühen Karrierephasen die Möglichkeit, sich durch die eigenverantwortliche Leitung einer Gruppe über einen Zeitraum von sechs Jahren für eine Hochschulprofessur zu qualifizieren. Mit der neuen Forschungsgruppe von Dr. Daria Elagina beheimatet der Fachbereich Philologie nun insgesamt drei Emmy Noether-Nachwuchsgruppen: Im Oktober 2024 hat die Emmy Noether-Nachwuchsgruppe "Die Spuren der ‚Kleinen Eiszeit‘ in der Literatur der frühen Neuzeit (1570–1780) (LitLIA)" (Leitung: Jun.-Prof. Dr. Joana van de Löcht) am Germanistischen Institut ihre Arbeit aufgenommen, Jun.-Prof. Dr. Philip Bockholt leitet seit 2022 die Nachwuchsgruppe "Innerislamischer Wissenstransfer im Rahmen arabisch-persisch-osmanischer Übersetzungsprozesse im östlichen Mittelmeerraum zwischen 1400–1750 (TRANSLAPT)" am Institut für Arabistik und Islamwissenschaft.