Sechs Fragen an… Jun.-Prof. Dr. Philip Bockholt
Willkommen am Fachbereich Philologie der WWU Münster!
Vielen Dank! Mein Umzug von Leipzig nach Münster steht kurz bevor, die Vorfreude steigt also langsam.
Wie sind Ihre ersten Eindrücke von Stadt und Universität?
Ich hatte 2009/10 ein Jahr meines Bachelors in Geschichte und Islamisch-Arabischer Kultur in Münster verbracht und kenne die Stadt deshalb bereits; auch wohnt ein Teil meiner Familie hier. Was meinen persönlichen Eindruck betrifft, so ist Münster sicherlich zurecht als äußerst lebenswerte Stadt mit vielen Angeboten im Bereich Natur und Kultur bekannt – ich freue mich auf zukünftige Entdeckungen!
Was sind Ihre Forschungsschwerpunkte?
Ich verstehe mich als Historiker der islamischen Vormoderne und hierbei insbesondere der Epoche der (erweiterten) Frühen Neuzeit (ca. 1400 bis 1800). Im Rahmen meines aktuellen Forschungsschwerpunktes untersuche ich anhand von arabisch-persisch-türkischen Übersetzungsprozessen den innerislamischen Wissenstransfer im östlichen Mittelmeerraum, z.B. die daran beteiligten Akteure oder die inhaltliche Adaption von Texten der Geschichtsschreibung sowie Fürstenspiegel- und Ratgeberliteratur. Übersetzungsprozesse und Wissenstransfer sind auch das Thema meiner von der DFG geförderten Emmy Noether-Nachwuchsgruppe, die ich gleichzeitig mit der Juniorprofessur leiten werde. Diese besteht aus mehreren Teilprojekten – ich freue mich schon auf die Arbeit mit einem motivierten Team!
Mit meinem Forschungsschwerpunkt verbunden ist das Forschungsfeld der islamischen Buchkultur und Handschriftenkunde: Da sich der Buchdruck in der islamischen Welt erst ziemlich spät, im Laufe des 19. Jahrhunderts, durchsetzte und zuvor jeder Text handschriftlich überliefert wurde, ist die Arbeit mit Handschriften unverzichtbar. Besonders spannend sind in diesem Zusammenhang nicht nur die zahlreichen textuellen Varianten, sondern auch die sogenannten paratextuellen Elemente (Besitzstempel und -vermerke, Stiftungseinträge, Lesenotizen etc.), die Licht auf die Produktion und Zirkulation von Texten werfen – und somit auf diejenigen, die diese Bücher besaßen, lasen oder verkauften und hierdurch Teil des Transfers von Wissen waren.
Wann haben Sie begonnen, sich für Ihr Fach bzw. Ihre Forschungsrichtung zu interessieren?
Ich habe mir bereits als Schüler vorgestellt, dass es wahnsinnig spannend wäre, Vorstellungen und Handeln von Individuen sowie Prozesse und Entwicklungen innerhalb von Gesellschaften in der Vergangenheit zu erforschen. Dass es der islamische Bereich sein würde, war für mich damals noch nicht abzusehen – es hätten genauso gut auch die europäische Antike oder das Mittelalter sein können! Bedingt durch den Zweifach-Bachelor an der Ruhr-Universität Bochum, wo ich mein Studium begann, fiel meine Wahl für das Fach neben Geschichte auf Islamwissenschaft, weil mich das Studium mehrerer außereuropäischer Fremdsprachen reizte, die zusätzlich noch aus unterschiedlichen Sprachfamilien stammen (Arabisch, Persisch, Türkisch). Im Studium habe ich dann durch Auslandsaufenthalte in Kairo, Istanbul und Teheran meine Kenntnisse ausgebaut. Vor allem Persisch hat mich der östlichen islamischen Welt nahegebracht, die ich nun in Forschung und Lehre in Münster vertreten darf und die geografisch vom arabisch-türkisch geprägten östlichen Mittelmeerraum bis auf den indischen Subkontinent reicht.
Was verbinden Sie mit dem Begriff "Forschendes Lernen"?
Forschendes Lernen halte ich gerade auch im Hinblick auf die Epoche der islamischen Vormoderne für eine exzellente Möglichkeit, sich historischen Phänomenen zu nähern. Hierzu bietet mein Forschungsinteresse zur islamischen Handschriftenkultur Raum, Studierende in Seminaren an Originalmaterial heranzuführen und sie dieses unter Anleitung, aber eben auch zunehmend eigenständig bearbeiten zu lassen. Dazu beitragen wird auch die institutseigene Sammlung an Handschriften und weiteren Objekten, die bereits in Lehrveranstaltungen von Studierenden teilweise erschlossen worden ist. Die frühe selbstständige Arbeit am Original kann für Studierende nur ein absolutes Plus sein – und zeigt ihnen gleichzeitig auch, dass im Trend liegende theoretische Ansätze mitunter nicht das Nonplusultra sind, wenn sie sich nicht am Gegenstand selbst anwenden lassen.
Was sind Ihre Tipps für ein erfolgreiches Studium?
Ausdauer und Disziplin sind unabdingbar, wenn die Motivation einmal nachlassen sollte (und das tut sie zweifellos ab und an). Vor allem hinsichtlich des in unserem Fach mit vielen Anstrengungen verbundenen Sprachstudiums, das ab dem ersten Semester beginnt, ist Durchhaltevermögen gefragt. Daneben ist Neugierde auf Texte, Personen und Sachverhalte sicherlich entscheidend, um sich stets wieder für eine Geisteswissenschaft motivieren zu können. Wenn diese mit einem gewissen Biss einhergeht, Dinge nicht nur anzureißen, sondern wirklich verstehen zu wollen, kann sich das Studium nur interessant gestalten.
Und zu guter Letzt: Haben Sie schon ein Fahrrad?
Nein! Das wird aber mit das Erste sein, was ich mir in Münster vor Ort zulegen werde.