Philologen bewerten transatlantische Beziehungen
Kurz nachgefragt: Wie steht es um die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA?
Prof. Dr. Martina Wagner-Egelhaaf:
Warum schaut eine Germanistin in diesen Tagen mit Spannung und Sorge nach Amerika? Natürlich ist die Germanistik längst nicht mehr die nationale Philologie, als die sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts begründet wurde. Sie ist vielmehr eingebunden in vielfältige internationale und interdisziplinäre Netzwerke. In den USA hat es immer eine starke Germanistik gegeben, in der die Erinnerung an Migration und Exil, aber auch an gemeinsame Werte, Solidarität und Freundschaft eine wichtige Rolle spielten. Ein großes Potenzial für die weltweite Entwicklung des Fachs liegt darin, dass sich die Germanistiken in den verschiedenen Ländern nicht mehr primär an der Germanistik in Deutschland orientieren, sondern dass eigene Perspektiven eingenommen und unterschiedliche regionale Traditionen und Kontexte geltend gemacht werden. Für diese ,internationale‘ oder auch ,transnationale‘ Germanistik aber ist es unerlässlich, dass Austausch und Transfer weiterhin ungehindert möglich sind. Wir brauchen daher auch in Zukunft unsere transatlantischen Kooperationen und sind darauf angewiesen, dass sich die Geisteswissenschaften in den USA in einem Klima der Freiheit und des Respekts vor wissenschaftlicher Erkenntnis entfalten können.
Prof. Dr. Martina Wagner-Egelhaaf arbeitet am Germanistischen Institut der WWU. Sie hat als visiting professor an verschiedenen US-amerikanischen Universitäten gelehrt und geforscht.
Michael A. Mason:
Die rassistischen Spannungen haben sich während der vergangenen vier Jahre unter der Administration von Präsident Donald Trump verschärft - man denke dabei vor allem an den durch Polizeigewalt getöteten Afroamerikaner George Floyd und die sich daraus ergebende „Black-Lives-Matter“-Bewegung. Auch innerhalb verschiedener akademischer Verbände in Europa sind intern Konflikte darüber ausgebrochen, wie man auf diese Ereignisse reagieren soll.
Mein Posteingang ist mittlerweile voll von diesen laufenden Konversationen zwischen wohlmeinenden Wissenschaftlern, die versuchen, die Kluft in dem aktuellen Umfeld zwischen Fortschritt und Überleben zu bewältigen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich dies mit einer Regierung unter einem Präsidenten Joe Biden legen wird. Ich bin mir aber sicher, dass es in einer zweiten Amtsperiode mit Donald Trump noch schlimmer gekommen wäre.
Ich habe keine Zweifel, dass die zunehmende Verwendung der Sprache von Milizen innerhalb der Rechten in den USA vieles von dieser reaktionären Verwirrung ausgelöst hat. Wir müssen und dürfen uns nicht durch eine zynische Taktik spalten lassen.
Michael A. Mason ist US-Amerikaner und lehrt seit 2019 am Englischen Seminar der WWU - sein Studium absolvierte er an der University of South Alabama.