Januar 2025
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Münze des Monats

© Katharina Martin

Nicht Petra, sondern Damaskus: Der Beginn der nabatäischen Münzprägung

Münzstätte Damaskus, ca. 84-71 v. Chr.

Bronze, 7,33 g, 19,7 mm

Av.: Kopf des Aretas III. mit Diadem

Rv.: Tyche von Damaskus, nach links auf einem Felsen sitzend, Turmkrone tragend, Füllhorn in der linken Hand haltend, rechte ausgestreckte Hand hält ein nicht identifizierbares Objekt, Flussgott unterhalb der Figur. Inschriften: ΒΑΣΙΛΕ[ΩΣ] / ΑΡΕΤΟΥ nach unten (rechts), ΦΙΛΕ-ΛΛΗΝΟ[Σ] nach unten (links), [A]P im linken Feld

Sammlung des Archäologischen Museums der Universität Münster, Inv.-Nr. M 6016

Ex Sammlung Hourmouziadis 3485; ex CNG e210 (15.05.2009) Nr. 76; ex J.S. Wagner Collection

Referenz: Meshorer 1975, 86 Nr. 6; Barkay 2019, 92 Nr. 7

 

Die seit 1985 zum Welterbe der UNESCO zählende jordanische Felsenstadt Petra, die auch zu den sogenannten sieben neuen Weltwundern gerechnet wird, ist spätestens seit dem Abenteuerfilm Indiana Jones und der letzte Kreuzzug (1989) einem breiteren Publikum bekannt geworden. Dies wird durch Berichte in den Medien über immer neue sensationelle Entdeckungen in zahlreichen Ausgrabungskampagnen genährt. Erst kürzlich konnte ein internationales Team unter Leitung des Amerikaners Dr. Pearce Paul Creasman im legendären ›Schatzhaus‹ eine Gruft aus der Zeitenwende freilegen. Einst war Petra das administrative und kulturelle Zentrum des nabatäischen Reiches. Der größte Teil der imposanten monumentalen Architektur Petras entstand zu Lebzeiten des Königs Aretas IV. (9. v. Chr. bis 40 n. Chr.), als in der Stadt bis zu 40.000 Menschen lebten. In jener Zeit befand sich das erste arabische Reich schon längst in einem Vasallenverhältnis zu Rom und Petra hatte seine Vormachtstellung in der Kontrolle der Warenströme auf der sogenannten Weihrauchstraße an andere Städte verloren.

Den Höhepunkt politischer Macht wie territorialer Ausdehnung erlebte das Nabatäerreich, das ursprünglich aus einem losen Zusammenschluss nordwestarabischer Nomadenstämme zu Beginn des 1. Jahrtausends hervorging, jedoch unter König Aretas III. mit dem Einzug in Damaskus im Jahre 84 v. Chr. Die Bewohner der bedrängten syrischen Stadt öffneten Aretas ihre Tore zum Dank für die Vertreibung der angreifenden Ituräer, die wie die Nabatäer in den Wirren der Auseinandersetzungen um das untergehende Seleukidenreich große Expansionsbestrebungen in das Machtvakuum hinein entwickelten. Mit der Eroberung von Damaskus war ein erheblicher Machtzuwachs für den Nabatäerkönig verbunden, dessen Reich sich von Damaskus, über Koilesyrien, das östliche Jordanland bis nach Hegra erstreckte. Zum Zeichen des Erfolges und der sich langsam verfestigenden staatlichen Strukturen ließ Aretas in seiner neuen Residenzstadt Damaskus Münzen prägen.

In der aktuellen Forschung werden insgesamt vier verschiedene Münztypen aus Damaskus unter der Herrschaft des Königs gelistet. Dazu zählen ein Silbermünztyp und drei Typen aus Bronze. Die in Damaskus verwendeten Silber- und Bronzemünzen unter Aretas folgen dem phönizischen Gewichtsstandard. Ursache könnten die engen ökonomischen Beziehungen zwischen den Regionen gewesen sein. Die wenigen aus Tyros stammenden Bronzemünzen aus jener Zeit zeigen mit einem mittleren Gewicht von 7,2 Gramm eine überraschende Vergleichbarkeit zu den in Damaskus geprägten (s.o.). Der hier vorgestellte Bronzemünztyp ist mit einer auf einem Felsen sitzenden Frau dem Typus der Tyche von Antiocheia angeglichen. Sie wird in Dreiviertelansicht nach links gezeigt und trägt einen hochgegürteten Chiton, wobei ihr Unterkörper von einem Mantel bedeckt wird. Auf ihrem Kopf sitzt eine Mauerkrone und in ihrer linken Hand hält sie ein Füllhorn; der rechte Arm ist geradeaus gestreckt und hält möglicherweise ein Objekt. Die Frau spreizt leicht die beiden Unterschenkel, in deren Mitte der Kopf des Flussgottes angedeutet ist. Münzen mit diesem Bild werden in Damaskus nicht nur von Aretas’ Nachfolger Tigranes von Armenien, sondern noch bis zur Mitte des 3. Jh. n. Chr. geprägt. Das Festhalten an der ungewöhnlichen, nahezu frontalen Ansicht über Jahrhunderte mag darauf hinweisen, dass dieses Bild der Tyche ausschließlich für den Zweck der Münzprägung entworfen worden ist. Als Bildquelle könnte das Stadtsiegel von Antiocheia gedient haben, das die gleiche Ansichtsseite und Proportionalität wie die Münzen in Damaskus zeigt.

Der Figurentypus und die Mauerkrone weisen die sitzende Frau als Stadtgottheit aus. Ob die Figur allerdings tatsächlich auch als Tyche bezeichnet wurde, bleibt ungewiss. Das beigegebene Füllhorn, das im 1. Jh. v. Chr. Attribut von Personifikationen fruchtbarer Orte war, veranschaulicht insbesondere das Wohlergehen der Stadt.

Das Porträt des Aretas auf dem Avers weist typologische und stilistische Gemeinsamkeiten mit Münzen des letzten Seleukidenherrschers, Antiochos XII., auf. Antiochos verlor 82 v. Chr. in einer Schlacht am Toten Meer gegen die Nabatäer sein Leben. Der Kopf des Aretas trägt keinen Bart und das Gesicht ist insgesamt recht länglich. Der markante Brauenwulst wird von einer langen spitzen Nase getragen. Im Gegensatz zu Münzabbildungen von Antiochos XII. oder dessen Bruder und Vorgänger Demetrios III. zeigt das Porträt des Aretas einen längeren Abstand zwischen Nase und Mund; auch das gebundene Haar wirkt auf den nabatäischen Prägungen üppiger und in den Nacken fallend.

Mit dem Porträt des Königs mit breitem Diadem setzen die im Namen des Aretas geprägten Münzen die seleukidische Tradition fort. Dies wird durch die auf dem Revers geprägte noch griechische Legende in vertikalen Kolumnen mit Königstitel (ΒΑΣΙΛΕ[ΩΣ]) und Name (ΑΡΕΤΟΥ plus außen ein Monogramm aus [A]P) noch verstärkt. Der programmatische Beiname Philhellene (ΦΙΛΕ/ΛΛΗΝΟ[Σ]) könnte auf eine starke Beeinflussung des neuen nabatäischen Herrschers durch das unwiderstehliche Hellenentum seiner Zeit hinweisen. In der Felsarchitektur Petras unter späteren nabatäischen Königen findet sich diese Prägung durch die Arbeit griechischer Handwerker und Künstler vielfach wieder. Der Beiname „Freund der Griechen“ könnte aber auch Fingerzeig auf eine formelle Verwendung gewesen sein, wenn orientalische Herrscher über Griechen oder Hellenisierte geboten. So trug auch bereits in der Mitte des 2. Jh. v. Chr. der Partherkönig Mithridates I. diesen Beinamen. Folglich könnte dieser Beiname des Aretas auch seine Funktion als Schutzherr über die griechische Bevölkerung von Damaskus anzeigen. Spätere in Petra herrschende nabatäische Könige trugen diesen Beinamen auf ihren Münzen nicht (mehr). Darüber hinaus machte auch nach Aretas mit der späteren Verlagerung der Reichszentrale in den Süden das Griechische der nabatäischen Schrift auf den Münzen Platz.

Sprichwörtlich auf der anderen Seite (der Münze) übernimmt Aretas keines der bisher unter den Seleukiden verwendeten Bildelemente. Demetrios III. benutzte zum Beispiel die Göttin Atargatis, die im Norden von Syrien populär war und als Symbole Granatapfel oder Gerstenhalme trug. Auf weiteren Münzen waren auch Hadad, Hermes, Nike, oder Apollon dargestellt. Stattdessen wurde unter Aretas mit der Prägung in Damaskus eine Figur mit Mauerkrone entworfen, die die Stadt in den Mittelpunkt des herrscherlichen Interesses stellt, aber auch möglicherweise davon kündet, dass die Stadt dem Nabatäerkönig den Sieg schenkt und somit die neue Herrschaft verleiht. Die sitzende Figur auf dem Felsen wird mit dem Füllhorn der Tyche ausgestattet und verbildlicht somit symbolträchtig das Aufblühen der Stadt unter dem neuen Herrscher Aretas.

(Uwe Kirchhefer, Teilnehmer der numismatischen Herbstschule 2024)

 

Literaturauswahl:

  • R. Barkay, Coinage of the Nabataeans, Qedem 58 (Jerusalem 2019)
  • U. Hackl – H. Jenni – Ch. Schneider, Quellen zur Geschichte der Nabatäer, Novum Testamentum et orbis antiquus 51 (Fribourg 2003)
  • Ph. C. Hammond, The Nabataeans – Their History, Culture and Archaeology, Studies in Mediterranean Archaeology 37 (Gothenburg 1973)
  • M. Lindner (Hrsg.), Petra und das Königreich der Nabatäer. Lebensraum, Geschichte und Kultur eines arabischen Volkes der Antike 6(München 1997)
  • Y. Meshorer, Nabataean coins, Qedem 3 (Jerusalem 1975) 1–112
  • M. Meyer, Die Personifikation der Stadt Antiocheia. Ein neues Bild für eine neue Gottheit, JdI Ergh 13 (Berlin 2006)
  • K. Schmitt-Korte – M. J. Price, Nabataean Coinage Part III. The Nabataean Monetary System, NumChron 154, 1994, 67–131