Michel Talagrand erhält Abelpreis
Der französische Mathematiker Michel Talagrand wurde dieses Jahr mit dem Abelpreis „für seine bahnbrechenden Beiträge zur Wahrscheinlichkeitstheorie und zur funktionalen Analyse, mit herausragenden Anwendungen in der mathematischen Physik und der Statistik" ausgezeichnet.
Matthias Löwe, Professor der Stochastik am Exzellenzcluster Mathematik Münster gibt einen kurzen Einblick in die Arbeit des Preisträgers:
Michel Talagrand ist ein außerordentlich produktiver Mathematiker. Zum jetzigen Zeitpunkt hat er etwa 300 Arbeiten veröffentlich, darunter auch etliche Bücher. Er beschäftigt sich mit verschiedenen Fragen der Wahrscheinlichkeitstheorie.
Seine vielleicht bekanntesten Arbeiten beschäftigen sich mit dem Phänomen der Maßkonzentration: Eine Größe, die von sehr vielen zufälligen Einflüssen abhängt, ist in erster Näherung konstant. Auf elementarer Ebene kennt man dies seit mehr als 300 Jahren unter dem Namen „Gesetz der großen Zahlen“. Führt man etwa einen Münzwurf sehr oft durch und misst die relative Häufigkeit des Ereignisses, dass die Münze „Kopf“ zeigt, dann nähert sich diese relative Häufigkeit der Wahrscheinlichkeit für „Kopf“ an. Das Gesetz der großen Zahlen ist der Grund, warum so etwas wie Wahrscheinlichkeit überhaupt existiert und man sinnvoll Statistik betreiben kann.
In seinen Arbeiten zur Maßkonzentration verallgemeinert Talagrand dieses Phänomen auf eine große Klasse von zufälligen Phänomenen und gibt Schranken dafür, wie schnell die Annäherung an den Mittelwert vor sich geht. Diese Arbeiten haben vielfältige Anwendungen, etwa in der Analyse der Performance von Algorithmen, der Untersuchung kombinatorischer Fragestellungen oder auch von Systemen in der Physik, die unter dem Namen „Spingläser“ bekannt sind (und die auch als einfache Modelle für Gedächtnisse analysiert werden). Der Physiker Giorgio Parisi (Nobelpreis 2021) stellte Anfang der 80er Jahre eine Heuristik über gewisse Spinglas-Modelle auf, die Talagrand 25 Jahre später in einer aufsehenerregenden Arbeit bewies.
Am Exzellenzcluster Mathematik Münster werden die Talagrandschen Ungleichungen zur Maßkonzentration in den Arbeitsgruppen der Wahrscheinlichkeitstheorie eingesetzt. Insbesondere beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe mit Spingläsern. Die Arbeiten von Talagrand sind dabei ein Anreiz, die komplexe Welt dieser Modelle noch besser zu verstehen.
Was ist der Abelpreis?
Der Abelpreis ist eine seit 2003 jährlich durch die Norwegische Akademie der Wissenschaften verliehene internationale Auszeichnung für wissenschaftliche Arbeiten von außergewöhnlicher Tiefe und Einfluss auf dem Gebiet der Mathematik. Er ist nach dem norwegischen Mathematiker Niels Henrik Abel benannt und mit 7,5 Millionen norwegischen Kronen, also etwa 650.000 Euro dotiert.