Fellow-Lecture: „Gästebücher digital – Ein bislang vernachlässigtes Kulturgut?“
© Universität Münster | Stefan Klatt

Am Montag, den 16. Juni 2025, 16.15–18.30 Uhr, hält Prof. Dr. Henry Keazor (Heidelberg) seine Fellow-Lecture zum Thema „Gästebücher digital – Ein bislang vernachlässigtes Kulturgut?“ (Raum 201, 2. OG im Philosophikum, Domplatz 23):

Gästebücher sind eine bislang sowohl historisch wie auch methodisch so gut wie unbearbeitete Gattung. Was jedoch anhand ihrer Erschließung gewonnen werden kann, vermag anhand des Beispiels eines geplanten Projekts deutlich zu werden, das sich mit den Gästebüchern der Brüder Nicola (1886–1967) und Franz Moufang (1893–1984) befassen möchte. Die Bände decken jeweils die Jahre 1917–1984 (Franz, in 17 Bänden) und 1922–1960 (Nicola, in 31 Bänden) ab, mithin den Zeitraum von der deutschen Monarchie bis zur Bundesrepublik. Indem die Gästebücher von Franz einen eher regional-nationalen Radius (Heidelberg, Deutschland), diejenigen Nicolas einen internationalen Horizont betreffen, ergänzen sie einander komplementär. In die Gästebücher trug sich über die Jahrzehnte hinweg eine große Zahl an äußerst prominenten, nationalen wie internationalen Vertreter:innen von Kunst, Kultur und Politik ein, wobei sie häufig auch bislang vollkommen unbekannte Kunstwerke (Zeichnungen, Grafiken, Gedichte, Texte) hinterließen. Ziel des Projekts, das eine vollumfängliche Erschließung, Kommentierung und Onlinestellung anstrebt, ist eine digitale Edition, über welche die Gästebücher nicht nur kommentiert zugänglich sind, sondern auch gezielt durch Datenvisualisierung substanziell erschlossen werden. Hierbei wird besonders das dichte Beziehungsgeflecht zwischen den Personen, zwischen den Anlässen, Orten und Zeiten sowie den in die Gästebücher eingefügten Medien (Kunstwerke, Fotografien, Texte) sichtbar gemacht. Die digitale Erschließung wird hier als integraler Bestandteil des Editionsprozesses verstanden, über die eine umfassende Analyse und Exploration der Gästebücher für Wissenschaft und Öffentlichkeit erst ermöglicht wird.

Prof. Dr. Henry Keazor ist seit 2012 Professor für Neuere und Neueste Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg. Seine Forschungsschwerpunkte bilden neben französischer und italienischer Barockmalerei auch die Illustration der Entdeckung Amerikas in der Frühen Neuzeit, zeitgenössische Architektur (insbesondere diejenige Jean Nouvels), Bildende Kunst und deren Rezeption, zum Beispiel in Literatur und Medien, sowie Musikvideos.