„Does digitalization force us to forget? Performing arts as an example“
© Universität Münster | Stefan Klatt

Am Montag, den 18. November 2024 hielt Dr. Johanna Laakkonen (Helsinki) einen Gastvortrag zum Thema „Does digitalization force us to forget? Performing arts as an example“.

In ihrem Vortrag untersuchte Johanna Laakkonen Fragen der Dokumentation und Bewahrung des kulturellen Erbes der darstellenden Künste aus der Perspektive der praktischen Museumsarbeit. Sie fragte, welche Anforderungen an Gedächtnisorganisationen, die immaterielles Kulturerbe aufbewahren, im digitalen Zeitalter gestellt werden und ob der material turn die Praktiken und Wege der Dokumentation verändern wird.

Die Besonderheit der darstellenden Künste liegt in ihrer Körperlichkeit und in der Tatsache, dass die Aufführung ein flüchtiges Ereignis ist, an dessen Ende nur Spuren stehen, die zu Interpretationen der auf der Bühne stattgefundenen Aufführung herangezogen werden können. Lange Zeit war die Haltung gegenüber der Dokumentation der Aufführung gemischt. Anfang der 1990er Jahre vertrat Peggy Phelan die Ansicht, dass eine Aufführung in dem Moment stattfindet, in dem sie aufgeführt wird, und wenn sie aufgezeichnet oder dokumentiert wird, „wird sie zu etwas anderem als einer Aufführung“. In den 2000er Jahren hat man jedoch verstanden, dass die Frage der Dokumentation einer Aufführung weiter gefasst ist als die Frage nach dem Ereignis und seiner Aufzeichnung. Die Aufführung lebt durch die Spuren und Objekte weiter, die von ihr übrig geblieben sind.

Der material turn lenkt unsere Aufmerksamkeit auf den künstlerischen Prozess und die Artefakte, Objekte und Arbeitsprozesse, die zur Aufführung führen. Neue Formen wie die Live-Kunst haben auch die Frage nach der Dokumentation der Erfahrungen des Publikums aufgeworfen, das am Aufführungsereignis teilnimmt. Die Aufzeichnung von Publikumsreaktionen hat sich auch von der Kritik auf Inhalte in den sozialen Medien ausgeweitet.

Während die Digitalisierung künstlerische Prozesse und einzelne Objekte für Forscher:innen und die breite Öffentlichkeit besser zugänglich machen kann, stellt sie das Wesen der darstellenden Kunst, die Gegenwärtigkeit und Vergänglichkeit des Ereignisses, in Frage. Darüber hinaus stellen inhärent digitale Materialien wie Fotografien, Aufnahmen oder z. B. Materialien, die mit dem künstlerischen Prozess in Verbindung stehen, neue Herausforderungen in Bezug auf ihre Verfügbarkeit und die Kosten für ihre Erhaltung dar. Wenn die Aufführung keine materiellen Spuren hinterlässt, wie können wir dann die Erhaltung des kulturellen Erbes sicherstellen?

Dr. Johanna Laakkonen ist Direktorin des Theatermuseums Helsinki. Sie war als senior lecturer für Theaterforschung tätig und ist Dozentin an der Universität Helsinki. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte des finnischen Balletts sowie finnischer Tänzerinnen als Teil der transnationalen Netzwerke des modernen Tanzes in den 1920er- und 1930er-Jahren.