After Diffusion - Neue Perspektiven auf Dynamiken der Normumsetzung

Workshop der DVPW-Themengruppe IB-Normenforschung, 5. & 6. Juli 2021 (digital)

Organisation:

Antonia Graf (Westfälische Wilhelms-Universität Münster); Bastian Loges (Technische Universität Braunschweig); Holger Niemann (Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg); Nils Stockmann (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)

 

 

© Fritz Thyssen Stiftung

 
Mit freundlicher Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung

 

 


OUTline:

20 Jahre Forschung zur Diffusion von internationalen Normen hinterfragen ein lineares Verständnis von Normdynamiken. Debatten zur Lokalisierung und Übersetzung von Normen, Kontestation, Clustern und Agency, aber auch zu Emanzipation, Macht und der Situiertheit von Forschenden haben einen umfangreichen Wissensbestand über Diffusionsdynamiken produziert. Fragen wie, was Normen sind, wie Diffusion funktioniert und wie derartige Prozesse zu erforschen sind, konnten damit differenzierter beantwortet werden. Gleichzeitig stellen diese Entwicklungen die Normenforschung vor konzeptionelle und analytische Herausforderungen: Dass Diffusionsdynamiken nicht innerhalb klar identifizierbarer Hierarchien, Phasen oder Handlungsebenen verlaufen, konfrontiert Forschende mit der Schwierigkeit, die empirischen Gleich- oder Ungleichzeitigkeiten sowie räumliche und zeitliche Überlappungen von Normenumsetzungen zu erfassen. Zunehmende Unmittelbarkeiten zwischen Normentstehung und -adaption, horizontale und vertikale Verschränkungen von Zuständigkeiten sowie temporäre Akteurskonstellationen und -rollen haben Implikationen für die Konzeptualisierung wie auch empirische Erforschung von Umsetzungsprozessen. Angesichts dieser Komplexität möchten wir den Blick darauf lenken, was zwischen formeller Implementation und konkreter Umsetzung auf miteinander gekoppelten Ebenen und Räumen empirisch passiert. Konzeptionell stellt sich die Frage, welche Perspektiven zu einem besseren Verständnis komplexer Dynamiken der Normumsetzung beitragen können. Dabei diskutiert der Workshop insbesondere folgende Aspekte als Implikationen dieser zunehmenden Komplexität von Normumsetzungen:

  • Analyseperspektiven: Levels, Scales und Räume der Normumsetzung

Die Komplexität von Diffusionsprozessen resultiert vor allem aus dem Zusammenspiel unterschiedlicher Handlungsebenen und Akteure. Hier möchte der Workshop durch einen Fokus auf Dynamiken ein besseres Verständnis für die Komplexitäten, Widersprüche und Ungleichheiten bei Diffusions- und Umsetzungsprozessen erreichen. Konkret stellt sich die Frage, welche konzeptionellen Alternativen jenseits der klassischen Diffusionsforschung in Fällen großer Dynamik bei der Umsetzung von Normen angelegt werden können, wenn sich Orte, Akteure und Zeiten der Eindeutigkeit entziehen. Der Workshop lädt daher zur Diskussion von Konzepten wie Übersetzung, Vermittlung, micro-moves, politics of speed/temporality, politics of scale oder multi-level perspective ein, die skalenübergreifende Prozesse analysieren.

  • Forschungszugänge: Inter- und Transdisziplinäres Wissen in der Normenforschung

Die oben skizzierten Dynamiken verweisen auch auf neu entstehende Wissensbereiche, die sich empirisch nicht mehr aus einer einheitlichen Quelle speisen. Der Workshop möchte daher auch die Rolle von inter- und transdisziplinärem Wissen in Normumsetzungsprozessen diskutieren. Denn die Zahl der beteiligten Akteure steigt, während sich ihr disziplinär begriffener Hintergrund zunehmend differenziert. Transdisziplinäre Austauschprozesse zwischen Wissenschaft und Gesellschaft sowie interdisziplinäre Wissensintegration werden nicht zuletzt durch drittmittelgebende Institutionen vermehrt politisch eingefordert, obgleich sie forschungspraktisch eine besondere Herausforderung darstellt. Wir möchten daher Kolleg*innen ermuntern, die Herausforderungen inter- wie transdisziplinär geprägter Normendynamiken explizit zu machen, Erfahrungen und Ergebnisse derartiger Forschungen zu reflektieren und im Workshop produktiv zu nutzen, um konzeptionelle Perspektiven auf empirische Herausforderungen zu finden.

  • Reflexionsebenen: Situiertheit und Normativität in Umsetzungsprozessen

Der Workshop möchte schließlich auch eine kritische Perspektive auf Prozesse der Normumsetzung diskutieren und dabei insbesondere deren Situiertheit und Normativität reflektieren. Denn die Varianz bei der Umsetzung von Normen durch Reinterpretationen und Übersetzungen auf lokaler Ebene verweist auf das kreative Potenzial lokaler Gemeinschaften ihre normativen Vorstellungen umzusetzen, aber auch auf Fragen von Emanzipation und Macht. Demgegenüber sehen sich Forscher*innen selbst mit der eigenen Normativität in Umsetzungsprozessen konfrontiert, die unter dem Stichwort der situatedness diskutiert wird. Welche Rolle Normativität und Situiertheit in Umsetzungsprozessen spielen und welche Implikationen daraus für die Normenforschung abzuleiten sind, bedarf einer verstärkten Reflexion. Im Workshop möchten wir Raum dafür bieten und wir heißen daher Beiträge willkommen, die Normativität und Situiertheit in Prozessen der Normenumsetzung diskutieren.

Aktuelles Programm (Stand 21.6.2021)