Annalena Bickert:
Sprache und Feminismus – zwischen Ideologie und Wissenschaft
10.15 – 10.45
Vanessa Gregor:
Sprache und Ideologie im Rechtspopulismus
10.45 – 11.15
Laura Zimmermann:
Sprache und Rassismus – (Latent) rassistische Kommentare in den Medien
11.15 – 11.45
Philipp Kappenstein:
Ideologisch geprägte und öffentliche Kommunikationskonzepte von Scientology
12.00 – 13.30
Mittagspause
13.30 – 14.00
Thomas Böcker:
Wohlklang von Familiennamen
14.00 – 14.30
Anna Maria Feldhaus:
Ja? Nein! Doch? Genau! – Polaritätskontraste im Sprachvergleich
14.30 – 15.00
Kaffeepause
15.00 – 15.30
Pia Meyer:
Gebrauchsbasierte Psycholinguistik? – Betrachtung einer Studie zur Turn-Antizipation
15.30 – 16.00
Miriam Brockmeyer:
Multimodalität und Grammatik – Lassen sich Gesprächspartikeln als multimodale Konstruktionen beschreiben?
16.15 – 17.45
Gastvortrag Dr. Saskia Kersten (University of Hertfordshire):
„Chunky Language – Sprache als Setzkasten?“
Mittwoch, 16.01.2019:
09.30 – 10.00
Nele Wesche:
Gesprochene Sprache im DaF-Unterricht: Die Partikel auch als Herausforderung
10.00 – 10.30
Freya Gastmann:
Lexikalische Verarbeitung von Kognaten bei mehrsprachigen Sprechern
10.30 –11.00
Nele Drescher:
Der Einsatz von Piktogrammen in der Leichten Sprache
11.00 – 11.30
Armin Alaa Willems:
Computerspiel-Narratologie
11.30 – 13.00
Mittagspause
13.00 – 13.30
Tyll Röver:
Zum Konzept von Mündlichkeit/Schriftlichkeit in Blogger-Relations
13.30 – 14.00
Emma Löhring:
Konzeptionelle Mündlichkeit in der digital schriftlichen Kommunikation am Beispiel von WhatsApp
14.00 – 14.30
Iryna Verniievska:
Code-Switching auf der Basis der Posts in sozialen Netzwerken im deutschsprachigen Raum
14.30 – 15.00
Kaffeepause
15.00 – 15.30
Anna Malin Gerke:
Akkomodation bei der Moderation im Quizformat „Gefragt-Gejagt“
15.30 – 16.00
Lena Lutterbeck:
Expressivität – eine Annäherung
16.00 – 16.15
kurze Pause
16.15 – 16.45
Judith Tripp:
Linguistische Modelle im Natural Language Processing (NPL) – Aufgaben, Probleme, Entwicklungen
16.45 – 17.15
Vera Neufeld:
Chatbots und nahe Verwandte – Möglichkeiten und Grenzen (computer-)linguistischer Forschung
17.15 – 17.45
Sektempfang
Abstracts zu den Vorträgen:
Annalena Bickert: Sprache und Feminismus – zwischen Ideologie und Wissenschaft
Ist die deutsche Sprache frauenfeindlich? Kaum ein anderes Thema polarisiert so stark wie das der geschlechtergerechten Sprache. Jahrzehntelang kämpften Frauen um demokratische Grundrechte, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung im Berufs- und Privatleben. Feministinnen waren sich in den 1970er-Jahren einig, dass die Gesellschaft nicht nur patriarchisch geprägt sei und von Männern dominiert werde, sondern dass sich Diskriminierung auch auf sprachlicher Ebene manifestiere. So notwendig die Forderung nach Gleichstellung in der Sprache für die Befürworter ist, so vehement wird sie seither von Kritikern angeprangert. Der feministischen Linguistik wird vorgeworfen, ihre Beiträge würden größtenteils auf Ideologie und Aktivismus gründen und seien nicht empirisch oder wissenschaftlich fundiert. In dem Vortrag wird die feministische Sprachkritik vorgestellt und eruiert, inwiefern sie aus sprachwissenschaftlicher Sicht berechtigt ist.
Vanessa Gregor: Sprache und Ideologie im Rechtspopulismus
Der aufkommende Rechtspopulismus ist ein Phänomen, welches sich Mitte der 1980er Jahre entwickelte und vor allem in westlichen Demokratien aktuell auf fruchtbaren Boden fällt. Rechtspopulistische Parteien und Einzelpersonen treten derzeit wieder häufiger mit ihren ideologisch geprägten Zukunftsvorstellungen an die Öffentlichkeit. Ein Grund für ihren immer größer werdenden Wirkungskreis ist ihre Nutzung der Sprache in den Massenmedien. Sie produzieren in ihren Reden und Schriften Bedrohungsszenarien, schaffen soziale Kategorisierungen, Freund-Feind-Dichotomien und bedienen sich dabei bestimmter Kommunikationstechniken und Agitationsmuster. Anhand einer kritischen Analyse von deutschsprachigen Medien und Reden des rechtspopulistischen Spektrums lassen sich das Verhältnis von Sprache, Medien und Ideologie darlegen und vermeintlich harmlose Äußerungen demaskieren.
Laura Zimmermann: Sprache und Rassismus – (Latent) rassistische Kommentare in den Medien
Die aktuelle politische Situation ist von Migrationsprozessen sowie kulturell und sozial veränderten Nähe- und Ferneverhältnissen geprägt. Die Frage nach Identität und Zugehörigkeit wird immer präsenter und Rassismus scheint in unserem Alltag zunehmend Platz einzunehmen. Besonders bei sportlichen Wettbewerbsereignissen, wie der Fußballweltmeisterschaft, lässt sich ein verstärktes Bedürfnis von Gruppenzugehörigkeit durch Distinktion zu anderen Nationalitäten, Subkulturen oder Communitys feststellen. Zahlreiche latent rassistische Kommentare werden in Form von Bild-Makros oder schriftlichen Beiträgen ohne jegliche Rezension in den sozialen Medien verbreitet. In diesem Vortrag werden, anhand einer Kollektion an Daten aus dem Spektrum der humoresk latent rassistischen Bild-Makros, die verschiedenen Stilmittel und linguistischen Merkmale von latentem Rassismus qualitativ und explorativ untersucht.
Philipp Kappenstein:
Ideologisch geprägte öffentliche Kommunikationskonzepte von Scientology
Aufbauend auf den Theorien des Gründers L. Ron Hubbard rekrutiert Scientology seit den 1950er Jahren Mitglieder für seine Organisation. Um die genaue Zahl der Angehörigen ranken sich von Zeit zu Zeit Mythen, annähernd realistische Schätzungen geben einen Wert von mehreren Hunderttausend Scientologen weltweit an. Was in den Vereinigten Staaten den Status als anerkannte Religionsgemeinschaft genießt, wird hierzulande oftmals als eine Art Sekte wahrgenommen. Nicht ohne Grund entsteht ein anrüchiger und zwielichtiger Gesamteindruck in der Gesellschaft. Wird die Lehre Hubbards fälschlich als religiöse Bewegung verkauft, um daraus finanzielles Kapital zu schlagen? Aus linguistischer Perspektive erscheint die öffentlich rhetorische Kommunikation von Scientology fragwürdig und weist argumentativ große Lücken auf. Kritiker kommen häufig zu dem Ergebnis, dass die sprachliche Strategie schon beim Anwerben neuer Mitglieder radikal ideologische Merkmale zeigt. Interessierte Laien erkennen die Prinzipien der Scientologen, z. B. das Verständnis von „In-/Outgroup“ erst dann, wenn sie sich schon tief in dem Geflecht einer ganzen „Glaubensfabrik“ befinden. Die Konsequenzen für innergemeinschaftliches Fehlverhalten und gegenüber Abtrünnigen sind boshaft und aggressiv. Wie die Organisation es trotzdem immer wieder schafft, neue Menschen für ihre Ideologie zu begeistern, bleibt daher ein spannendes Phänomen. Hierbei ist das einfachste und zugleich effektivste Mittel jedes Menschen ihre größte Waffe: Sprache.
Thomas Böcker: Wohlklang von Familiennamen
Bei der Heirat müssen die zukünftigen EhepartnerInnen die weitreichende Entscheidung treffen, welchen (gemeinsamen) Namen sie führen möchten. Die jeweilige Wahl wird häufig durch das Wohlklang-Argument begründet – der angenommene Name ‚klingt schön‘ oder ‚passt besser‘. Doch was genau heißt das? Was macht einen passenden, wohlklingenden Familiennamen aus? Was wird im Gegensatz dazu als unangenehm empfunden? Bisherige phonologische Untersuchungen von Anthroponymen (Personennamen) beschränken sich größtenteils auf die Vornamen, indem Mädchen- und Jungennamen diachron wie synchron strukturell verglichen werden. Die phonologische Untersuchung der Familiennamen birgt die Schwierigkeit, dass hier nicht nur der Familienname isoliert, sondern der Komplex aus Vor- und Familienname untersucht werden muss. Ausgehend von der phonologischen Struktur verwandter Konzepte (etwa Vornamen, Markennamen, Phraseologie) sollen Hypothesen für den Wohlklang von Familiennamen bzw. von Namenkomplexen entwickelt werden. Abschließend werden Überlegungen zu einem experimentellen Setting angestellt, durch das die vorher entwickelten Hypothesen überprüft werden könnten, um sich dem ästhetischen Phänomen Wohlklang zu nähern und es beschreibbar zu machen.
Anna Maria Feldhaus: Ja? Nein! Doch? Genau! – Polaritätskontraste im Sprachvergleich
Sprachen unterscheiden sich auf vielfältige Art und Weise. Sie verwenden unterschiedliche Laute, haben verschiedenes Vokabular und auch ihre eigene Struktur. Selbst nah verwandte Sprachen unterscheiden sich beispielsweise auf der Ebene des Diskurses und verfügen über spezifische Prinzipien der Diskursorganisation. So gibt es Abweichungen in der Anordnung relevanter Informationen und grammatischer Rollen oder auch in der Verwendung von Kohäsionsmechanismen und Kohärenzrelationen. Jede Sprache hat Wege gefunden, wichtige Informationen so zu verpacken, dass die Bedeutung eines Satzes übermittelt werden kann. Die Polarität eines Satzes, also die Negation oder Affirmation eines Sachverhalts, ist entscheidend für seine Bedeutung. Wie also werden Polaritätskontraste ausgedrückt? Gibt es je nach Sprache unterschiedliche Präferenzen oder Strategien, diese Kontraste zu realisieren? Im Vortrag soll das Phänomen der Polaritätskontraste in verschiedenen Sprachen näher beleuchtet sowie auf den aktuellen Stand der Forschung eingegangen werden.
Pia Meyer: Gebrauchsbasierte Psycholinguistik? – Betrachtung einer Studie zur Turn-Antizipation
Schon lange beschäftigen sich LinguistInnen mit der Frage, wie Sprecherwechsel in Gesprächen organisiert sind. Wie ist es möglich, dass die Gesprächsbeiträge verschiedener SprecherInnen direkt aneinander anschließen? Woher weiß ein Sprecher oder eine Sprecherin, wann der Redebeitrag des Gegenübers endet? Um sich der Beantwortung dieser Fragen zu nähern, wird zunächst eine psycholinguistische Studie zur Turn-Antizipation vorgestellt. In der Studie hören deutsche und französische Muttersprachler zu diesem Zweck aufgenommene Dialoge deutscher Sprecher. Die Sprecher werden hierbei auch visuell in Form von Legofiguren dargestellt, um sowohl EEG- als auch Eye-Tracking-Daten zu erhalten. Vor dem Hintergrund psycholinguistischer und gebrauchsbasierter linguistischer Fragestellungen werden erste Ergebnisse der Studie in diesem Vortrag erläutert. Schließlich wird die Konzeption einer möglichen Folgestudie mit natürlichen Dialogen besprochen und zur Diskussion gestellt.
Miriam Brockmeyer: Multimodalität und Grammatik – Lassen sich Gesprächspartikeln als multimodale Konstruktionen beschreiben?
Der Sprachgebrauch in der Face-to-Face-Interaktion ist multimodal. Das heißt, dass außer der verbalen Sprache auch Gestik, Mimik und Blickverhalten zur Verständigung beitragen. Dabei treten häufig Mitglieder bestimmter Familien von Gesten rekurrent mit den gleichen verbalen Konstruktionen auf und beide Elemente tragen gemeinsam zur Bedeutungskonstitution bei. Deshalb ist unter KonstruktionsgrammatikerInnen die Diskussion aufgekommen, ob diese Elemente in entsprechenden Fällen auch auf mentaler Ebene gemeinsam als multimodale Konstruktionen gespeichert sind. Das wiederum hätte gravierende Auswirkungen auf den Grammatikbegriff, da dieser dann auch visuelle Ausdrucksmittel umfassen würde. Im Fokus dieses Beitrags steht die Frage, ob Gesprächspartikeln sich als multimodale Konstruktionen beschreiben lassen. Welche gestischen Elemente treten mit ihnen zusammen auf? Ist das gemeinsame Auftreten so rekurrent, dass das Potenzial für eine multimodale Konstruktion gegeben ist?
Nele Wesche: Gesprochene Sprache im DaF-Unterricht –Die Partikel auch als Herausforderung
Wie verwenden deutsche MuttersprachlerInnen das Wort auch und welche Schlüsse lassen sich daraus für den Fremdsprachenunterricht ziehen? In der linguistischen Forschung hat seit der kommunikativ-pragmatischen Wende in den 1970er Jahren die Betrachtung der gesprochenen Sprache stark zugenommen. Obwohl aus der Gesprochenen-Sprache-Forschung wichtige Erkenntnisse für den DaF-Unterricht gewonnen werden können, werden diese nicht zufriedenstellend in der Didaktik berücksichtigt. In diesem Vortrag werden die gesprochene Sprache und ihr Bezug zum Fremdsprachenunterricht präsentiert. Die Verwendung der Partikel auch in der gesprochenen Sprache ist ein spannendes Phänomen für den Fremdsprachenunterricht, weil sie sowohl innerhalb der deutschen Sprache als auch im Vergleich zu anderen Sprachen unterschiedliche Verwendungsweisen aufweist. Diese Polyfunktionalität kann eine Schwierigkeit für Deutschlernende darstellen. Mithilfe der authentischen Daten der Plattform „Gesprochenes Deutsch“ des Germanistischen Instituts der WWU Münster und selbst erhobener elizitierter Daten wird die Verwendung von auch untersucht.
Freya Gastmann: Lexikalische Verarbeitung von Kognaten bei mehrsprachigen Sprechern
Auf Reisen in englischsprachige Länder fällt es auch ungeübten Sprechern des Englischen häufig nicht schwer, Wörter wie bus, restaurant oder police zu verstehen. Dies liegt an ihrer orthografischen und meist auch phonologischen Nähe zum deutschen semantischen Äquivalent. In der Sprachwissenschaft werden solche Wörter als cognates oder auch Kognaten bezeichnet. Kognaten sind vor allem im Bereich der kognitiven Linguistik erforscht worden, die sich unter anderem mit den Verknüpfungen einzelner Sprachen im mentalen Lexikon beschäftigt. Kognaten sind hier besonders interessant, da sie eine Art Schnittmenge zwischen den Sprachen bilden und dadurch einen besonderen Stellenwert bei der kognitiven Verarbeitung einnehmen. Dieser Vortrag widmet sich der Sprachverarbeitung mehrsprachiger Sprecher unter Betrachtung der sprachlichen Parallelaktivierung von Kognaten.
Nele Drescher: Der Einsatz von Piktogrammen in der Leichten Sprache
Das Thema Barrierefreiheit wird in unserer Gesellschaft zunehmend wichtiger. Neben vielen anderen Bereichen kann es auch in der Kommunikation Barrieren geben. Um Menschen, die Probleme beim Erfassen von Texten haben, die Teilnahme an der schriftlichen Kommunikation zu ermöglichen, werden Texte in Leichter Sprache verfasst. Diese soll durch verschiedene Mittel der sprachlichen und typografischen Vereinfachung die Aufnahme von geschriebenen Texten ermöglichen. Eines dieser Mittel ist die Einbindung von visuellen Elementen in Form von Bildern und Piktogrammen. Obwohl es für die Leichte Sprache ein normiertes Regelwerk gibt, ist die Nutzung von visuellen Elementen nicht einheitlich. Anhand von verschiedenen Gebrauchstexten untersucht dieser Beitrag exemplarisch die Verwendungsweise von Piktogrammen in der Leichten Sprache.
Armin Alaa Willems: Computerspiel-Narratologie
Viele Spiele erzählen Geschichten. In der Literaturwissenschaft und erst recht in den Medien- und Kulturwissenschaften sind Spiele längst, seit einiger Zeit auch Computerspiele, Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung. Dieser Vortrag beleuchtet das Phänomen Videospiel aus der linguistischen Perspektive im Bereich Storytelling. Es wird die spezielle Semiotik vorgestellt, die auch durch die transmediale Vermittlung von Narration entstehen kann und der Vortrag zeigt beispielhaft, wie Erzählung und Spielerverhalten in Wechselwirkung Kohärenz und Kohäsion des Gesamtprodukts „Spiel“ beeinflussen. Als Anschauungsmaterial dienen dazu Ausschnitte aus „The Stanley Parable“. Dieses Spiel ist besonders geeignet, weil es auf die Beziehung zwischen Erzählerstimme und SpielerIn fokussiert ist. Es zeigt, wie es einem Spiel gelingen kann, je nach Spielverhalten eine eigene Story auszubilden. Am Ende des Vortrags wird klar werden, dass eine tiefergehende Beschäftigung mit Videospielen aus linguistischer Perspektive nicht weniger fruchtbar ist als die literaturwissenschaftliche Herangehensweise.
Tyll Röver: Zum Konzept von Mündlichkeit/Schriftlichkeit in Blogger-Relations
Die Beziehung zu Bloggern wird für moderne Unternehmen immer wichtiger. Die herkömmlichen Wege der klassischen PR-Arbeit wirken im Vergleich unattraktiv: Anzeigen in Printmedien sind vergleichsweise teuer, die Rezeption der Nachricht lässt sich im Vergleich zum Internet nur schwerlich nachvollziehen. Attraktiver sind kleine Blogs, mit wenig bis keinen monetären Ansprüchen, bei denen sich die Zielgruppe eingrenzen und verfolgen lässt. Aber wie verändert sich die Kommunikation zwischen Unternehmen und den öffentlichen Stakeholdern? Verschiebt sich der Modus der Sprache eher in den Bereich der konzeptionellen Mündlichkeit, obwohl die Kommunikationsbedingungen nahezu gleich bleiben? Qualitativ und explorativ soll untersucht werden, ob und wie weit sich die Kommunikation mit den neuen Stakeholdern ändert.
Emma Löhring: Konzeptionelle Mündlichkeit in der digital schriftlichen Kommunikation am Beispiel von WhatsApp
WhatsApp ist als Medium der digital schriftlichen Kommunikation aus der heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Wir schreiben uns Kurznachrichten, versenden Sprachnachrichten und tauschen uns in Gruppenchats rege aus. Was auf schriftlicher Basis erfolgt, wirkt jedoch alles andere als schriftlich: Wir schreiben bei WhatsApp so, wie wir auch im realen Leben sprechen. Der Einfluss mündlicher Elemente auf internetbasierte Kommunikationsformen ist so massiv, dass sich zahlreiche Merkmale der gesprochenen Sprache in medial schriftlichen WhatsApp- Nachrichten finden. Doch welche Faktoren sorgen dafür, dass wir nicht mehr zwischen eigentlich klar abgegrenzten Versprachlichungsstrategien differenzieren? Und was hat es für Folgen, wenn die Grenzen von Mündlichkeit und Schriftlichkeit zunehmend verschwimmen und die gesprochene Sprache Einzug in konzeptionell schriftliche Medien hält?
Iryna Verniievska: Code-Switching auf der Basis der Posts in sozialen Netzwerken im deutschsprachigen Raum
Die Sprachenveränderungen sind von mehreren gesellschaftlichen Faktoren, wie der aktuellen politischen Situation, der Entwicklung und der Verbreitung des Internets und internetbasierte Kommunikationsformen, geprägt. Verschiedene Formen interaktiver Kommunikation ermöglichen nicht nur kulturellen, sondern auch sprachlichen Kontakt und Austausch zwischen räumlich getrennten Sprechern, sie erweitern die sprachlichen Grenzen multilingualer Sprecher. Der Sprachwechsel kann von verschiedenen Anlässen und Situationen abhängig sein und unbewusst vom Sprecher aktiviert werden. In der Sprachwissenschaft wird das Phänomen des Sprachwechsels als Code-Switching bezeichnet; es ist in mehrsprachigen Gruppen und Gesellschaften verbreitet. Dieser Votrag widmet sich der Untersuchung des Phänomens des Code-Switching in Facebook- und Instagram-Posts im deutschsprachigen Raum und erhellt die Faktoren, die dieses Phänomen bedingen.
Anna Malin Gerke: Akkommodation bei der Moderation im Quizformat „Gefragt-Gejagt“
Im TV-Quiz „Gefragt-Gejagt“ bezieht der Moderator Alexander Bommes ungewöhnlich stark Position. Während sich Moderation allgemein durch Neutralität auszeichnet, ergreift Bommes nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich Partei für die vier Kandidaten, die im Duell gegen einen Quiz-Profi, den „Jäger“, antreten. Aus der Perspektive der Soziolinguistik gesehen bedient Bommes sich unterbewusst dem Prinzip der Akkommodation. Dabei erfolgt eine dynamische Anpassung an die Sprechweise des jeweiligen Gesprächspartners. Bei solchen Synchronisationsprozessen wird Zugehörigkeit und Sympathie zum Ausdruck gebracht, indem man sich vor allem in den Bereichen der Syntax sowie der Phonologie und auf lexikalischer Ebene wechselseitig angleicht. Welche Rolle ein gemeinsamer Regiolekt wie das Norddeutsche in dem beliebten Vorabendquiz spielen kann, untersucht dieser Beitrag.
Lena Lutterbeck: Expressivität – eine Annäherung
Expressivität stellt in der Linguistik einen Terminus dar, dessen Definition oft im Vagen gelassen und mit Pseudo-Synonymen wie Affektivität oder Emotionalität gleichgesetzt wird. Mit der expressiven Funktion haben SprecherInnen die Wirkung des Sprechbeitrags im Kopf. Ein Großteil der linguistischen Studien beschränkt sich auf die lexikalische Ebene von Expressivität: Im Satz Der verdammte Hund bellt jeden Gast an ist schnell ersichtlich, dass das Adjektiv verdammt eine expressive Funktion enthält, welche die emotionale und bewertende Sprechereinstellung ausdrückt. Der Vortrag skizziert, dass Expressivität jedoch auf verschiedenen linguistischen Ebenen realisiert werden kann, und gibt einen Ausblick auf empirische Betrachtungsweisen, die sich nicht nur auf die Mündlichkeit und die sprachlichen Merkmale beschränken.
Judith Tripp: Linguistische Modelle im Natural Language Processing (NLP) – Aufgaben, Probleme, Entwicklungen
Die „natürliche Sprachverarbeitung“ beschreibt die Analyse und Produktion „echter“ Sprache im Bereich programmierbarer Möglichkeiten. Die Analyse bezieht sich dabei auf phonetisches oder graphisches Textmaterial natürlicher Personen und die Kategorisierung und Verarbeitung dieses Materials. Die Produktion stellt die Ausgabeseite computerisierter Sprachverarbeitung dar. Es wird mittels linguistischer Modelle versucht, eine eng an die menschliche Sprachproduktion angelehnte Textausgabe zu erreichen.
Sprachmaterial dieser Art kann z.B. in der Human Computer Interaction (HCI) erzeugt (und von einem Programm analysiert) werden. Interaktionen, die in der Linguistik typischerweise berücksichtigt werden, sind solche zwischen Menschen und (Chat-)Bots. Bei den Bots kann es sich sowohl um einfache benigne Chatbots handeln als auch um solche Bots, die z.B. auf Twitter Falschmeldungen verbreiten und dort ebenfalls Interaktionsketten verursachen. Relevant wird für den Vortrag im Rahmen der Tagung vor allem die Untersuchung fehlerhafter Kommunikationsvorgänge sein sowie das Ausmachen möglicher Ursachen von Kommunikationsbrüchen.
Vera Neufeld: Chatbots und nahe Verwandte – Möglichkeiten und Grenzen (computer-)linguistischer Forschung
Chatbots sind virtuelle, textbasierte Dialogsysteme. Mittels Schlüsselwort- und Mustererkennung generiert ein Chatbot über eine natürlichsprachliche Eingabe eines Nutzers eine möglichst natürlichsprachliche Antwort. Doch gerade an der Authentizität einer Antwort scheitern viele Bots und so bedarf es der weiteren Entwicklung und Forschung, u.a. im Bereich der Mensch-Computer-Interaktion. Chatbots gelten als Assistenzsysteme und werden insbesondere für den Service und Support auf Webseiten genutzt. Für die erfolgreiche Abwicklung von Chatdialogen benötigt ein Chatbot die Fähigkeit, die aufkommende Problematik oder Frage des Users zu „verstehen“ bzw. einzuordnen. Er muss mit dem Nutzer in Interaktion treten, eine Antwort oder Rückfrage generieren und dabei möglichst natürlich klingen. Da das technische Verständnis der Nutzerbasis oftmals stark variiert, kommen dementsprechend Fragen oder Missverständnisse auf, die einer Beratung bedürfen. Der zukünftige Chatbot der Naviki Fahrrad-App zur Routenplanung soll Support-Fragen leichter und schneller lösen, als der herkömmliche E-Mail-Verkehr es zulässt. Zur Erstellung dieses Chatbots dient Dialogflow, eine Art Werkzeug für Entwickler, das Googles Mustererkennungssysteme nutzt und mittels Natural Language Processing (NLP) versucht, natürliche Sprache zu erfassen und maschinell zu verarbeiten. Um Chatbots noch effektiver und selbstständiger arbeiten zu lassen, können auch Künstliche Intelligenzen oder Methoden wie Deep Learning eingesetzt werden-
Gastvortrag & Interview
Dr. Saskia Kersten (University of Hertfordshire)
„Chunky Language – Sprache als Setzkasten?“
Die meisten Texte bestehen zu mehr als der Hälfte aus formelhaften Wendungen, sogenannten chunks (Ermann & Warren 2000). Diese formelhaften Wendungen werden in der linguistischen Literatur mit vielen verschiedenen Begriffen belegt. So zählt Wray (2002: 9) 57 verschiedene (englischsprachige) Termini auf, unter denen das Phänomen der formelhaften Sprache diskutiert wird. In der deutschsprachigen Literatur wird u.a. von Phraseologismen, Kollokationen, Idiomen, Redewendungen, Phrasemen, usuellen Wortverbindungen, produktiven Wortverbindungsmustern und Mehrwortlemmata (siehe z.B. Steyer 2000, 2015) gesprochen, wobei diese nicht zwangsläufig immer exakt dasselbe beschreiben, sondern unterschiedliche Kriterien der Formelhaftigkeit zugrunde legen. Vor allem das Kriterium der Idiomatizität für die Identifikation von formelhafter Sprache wird zunehmend hinterfragt, da es auch formelhafte Wendungen gibt, die nicht idiomatisch sind, aber dennoch „eine historisch gewachsene Gebrauchsnorm repräsentieren, also Standardverwendungen darstellen“ (Steyer 2000: 108). In welchem Verhältnis kreativer und formelhafter Sprachgebrauch zueinander stehen, ist neben der Frage, was Formelhaftigkeit von Sprache genau ausmacht und welchen Stellenwert sie in der linguistischen Theoriebildung innehat, das Thema dieses Vortrags.
Anhand von vielfältigen deutsch- und englischsprachigen Beispielen, z.B. aus Fernsehserien, Zeitungstexten und akademischen Veröffentlichungen, wird diskutiert, was genau formelhafte Sprache ist und wie sie definiert werden kann. Es ist das Zusammenspiel von Form und Funktion und die Vielfältigkeit von formelhafter Sprache, die sie so interessant und für viele Bereiche der Linguistik relevant machen – z.B. die Lexikografie, aber auch die Text- und Diskurslinguistik.
Abschließend wird die Frage aufgeworfen, warum formelhafte Sprache, die auf der einen Seite so omnipräsent und hilfreich in den unterschiedlichsten Kommunikationssituationen ist (z.B. dem akademischen Schreiben) auf der anderen Seite mit Begriffen wie „sprachliches Klischee“ belegt wird. Oftmals wird sie sogar als trivial, nicht kreativ und schlechter Stil abgetan, obwohl man auch an der Entwicklung von formelhaften Wendungen zeigen kann, dass Wissen um chunks und formelhafte Genres (cf Kuiper 2009) sprachspielerisch und kreativ genutzt werden kann.
Literaturangaben:
Erman, B. & Warren, B. (2000). The idiom principle and the open choice principle. Text, 20, 29-62.
Kuiper, K. (2009). Formulaic Genres. Basingstoke: Palgrave Macmillan.
Steyer, K. (2000). Usuelle Wortverbindungen des Deutschen: Linguistisches Konzept und lexikografische Möglichkeiten. Deutsche Sprache, 28(2), 101-125.
Steyer, K. (2015). Patterns: Phraseology in a state of flux. International Journal of Lexicography, 28(3), 279-298.
Wray, A. (2002). Formulaic Language and the Lexicon. Cambridge: CUP.
Interview mit Frau Dr. Kersten
Je klischeehafter, desto effektiver?
Wer viele Texte liest, stößt häufig auf abgedroschene Phrasen und sprachliche Klischees. Ist die Verwendung von häufig genutzten Wortverbindungen ein Zeichen schlechten Stils? Nicht unbedingt, meint Dr. Saskia Kersten von der Universität Hertfordshire in Großbritannien.
Frau Dr. Kersten behandelt auf der diesjährigen „Linkon“,dersprachwissenschaftlichen Tagung an der Westfälischen Wilhelms-Universität, als Gastrednerin sogenannte sprachliche „Chunks“. „Chunks“ sind – vereinfacht gesagt – zusammenhängende Wörter, die eine über die Bedeutung der Einzelwörter hinausgehende Bedeutung bekommen. Alltägliche Beispiele für „Chunks“ wären „Guten Morgen“ oder auch „Sehr geehrte Damen und Herren“ als Begrüßungsformeln.
Ist Sprache ein Setzkasten, in dem Bausteine aneinandergereiht werden, um wohlgeformte Sätze zu erzeugen? Im Rahmen der „Linkon“ spricht Frau Dr. Kersten im Interview über die Rolle von „Chunks“ in Wissenschaft, Politik und Journalismus.
Interviewer: Frau Dr. Kersten, Sie beschäftigen sich als Wissenschaftlerin mit häufig genutzten Phrasen und nennen diese „Chunks“. Wie kann man so etwas wie „Chunks“ oder deren Wirkung denn messen?
Kersten: Es gibt beispielsweise Studien, bei denen die Verarbeitung von „Chunks“ mit „Eyetracking“ untersucht wird. Da werden also mit speziellen Kameras die Augenbewegungen der Testpersonenaufgezeichnet und zum Beispiel geschaut, ob man beim Lesen im Satz weiter „vorhüpft“, also Wörter überspringt. Das scheint tatsächlich zu passieren. Das deutet darauf hin, dass „Chunks“ zu einer schnelleren Verarbeitung beim Lesen führen.
I: „Chunks“ scheinen uns also im Alltag zu begleiten. Macht die Formelhaftigkeit der Sprache die Kommunikation nicht langweiliger?
K: Von Orin Hargraves ist 2014 ein Artikel im Guardian erschienen, in dem er ganz gut zusammenfasst, warum Phrasen, die er als „Klischees“ bezeichnet, zwar manchmal lästig sind, uns aber die Verarbeitung von Gelesenem ungemein erleichtern.
„Chunks“ erleichtern uns die Verarbeitung, weil wir, wenn wir sie produzieren, Gehirnkapazitäten frei haben, um über andere Dinge nachzudenken. Wir können mental unsere nächste Äußerung vorbereiten. Darum ist es ganz klar, dass sie in der gesprochenen Sprache noch häufiger vorkommen als in der geschriebenen Sprache. In Sprechsituationen sind freie Kapazitäten ganz wichtig, denn wir müssen ja gleichzeitig die Zuhörenden beobachten, schauen, ob wir verstanden werden, unser Argument planen und so weiter. Darum beobachten wir, dass eine Person, auf der erhöhter Druck lastet, eher mehr „Chunks“ benutzen wird. Ein gutesBeispiel dafür ist die ganz stark vorgeschriebene Kommunikation in der Flugsicherheit, weil dort die Kommunikation auf das Hören beschränkt ist, durch Rauschen etc. gestört sein kann und Körpersprache und andere Signale fehlen. Auf je mehr außersprachliche Dinge geachtet werden muss, desto formelhafter wird unsere Sprache. Das gilt zum Beispiel in den Kommentaren von Sportereignissen, besonders, wenn es dort hoch hergeht und viel gleichzeitig passiert.
I: Und in der geschriebenen Sprache? Medienschaffende sehen sich beispielsweise der Kritik ausgesetzt, bestimmte „Chunks“ immer wieder zu verwenden. Man spricht zum Teil vom „Phrasendreschen“. Sie verteidigen diese Autoren?
K: Bei einem geschriebenen Text, bei dem in der Produktion oft Zeitdruck herrscht, wird sich natürlich häufig formelhafter Wendungen bedient. Auf der anderen Seite sind „Chunks“ nicht nur für die schreibende Person wichtig, weil sie die Produktion erleichtern. Sie signalisieren auch viel an die Rezipierenden. Schreibende verschiedener Textsorten bedienen sich zum Beispiel spezifischer, häufig verwendeter „Chunks“, die zugleich ihre Textsorte markieren können. Vorformulierte Phrasen („Frisch gestrichen.“, „Mit freundlichen Grüßen“) werden sehr schnell und einfach verstanden.
Zu guter Letzt signalisiert die Verwendung häufig genutzter Phrasen ja auch so etwas wie Gruppenzugehörigkeit. Wenn man sich ausdrückt wie sein Publikum, stellt man eine Verbindung her.Wenn Rezipierende das Gefühl haben, bis zu einem gewissen Grad vorhersagen zu können, was als Nächstes kommt, fühlen sie sich der schreibenden oder sprechenden Person in gewisser Weise nah. Man bekommt das Gefühl, dass der- oder diejenige so spricht oder schreibt wie man selbst.
Das sieht man zum Beispiel daran, dass sich bestimmte Dinge einbürgern, wie Modebegriffe aus Filmen oder der Popkultur im Allgemeinen. In Gruppen wie Online-Communities wird das ganz deutlich, wo es formelhafte Ausdrücke gibt, die jemanden als Gruppenmitglied markieren.
I: Also bedienen sich die schreibenden dann zum Beispiel „Chunks“, die dem Jargon bestimmter sozialer Gruppen zugeordnet werden, wie zum Beispiel der Jugendsprache?
K: Genau. Wenn Medienschaffende solche Wendungen dann benutzen, können sie damit signalisieren, selbst zu dieser Gruppe zu gehören. Durch die Verwendung von „Chunks“ aus bestimmten Communities können sich Textproduzierende also diesen spezifischen Communities näherbringen.
I: Das klingt nach einer ziemlich subversiven Methode, um seine Ziele zu erreichen.
K: Man kann die Entstehung von „Chunks“ natürlich nicht erzwingen, aber man kann bestimmte Wendungen doch strategisch in den Vordergrund bringen. „Chunks“ spielen gerade im Bereich von politischen oder kommerziellen Slogans eine wichtige Rolle. In jüngerer Zeit ist das besonders im US-Amerikanischen Wahlkampf aufgefallen. Je häufiger Donald Trump seine Kontrahentin als „crooked Hillary“, also als „betrügerische (oder unehrliche) Hillary“, bezeichnet hat, umso mehr hat sich „crooked Hillary“ als feststehender Begriff in die Köpfe der Wählerschaft eingeschlichen. Die beiden einzelnen Wörter gehen durch die häufige Wiederholung in genau dieser Weise eine Verbindung ein und werden in der Folge auch häufig genauso zitiert. Irgendwann wurde „crooked Hillary“ für viele zu einem alltäglichen Ausdruck.
„Chunks“ können also von Personen in Politik und Medien geschickt genutzt werden, um Manipulation – positive wie negative Manipulation – zu betreiben.
„Chunks“ begleiten uns im Alltag. Sie können dafür sorgen, dass wir Äußerungen zügig verstehen, ohne dafür große Gehirnkapazitäten nutzen zu müssen. „Chunks“ sind außerdem ein Mittel, um eine persönliche Verbindung zwischen Textproduzierenden und -rezipierenden herzustellen.
Wie groß ist der Anteil an „Chunks“ in unserer Kommunikation wirklich? Wer nutzt ihren Einfluss auf unser Denken wie bewusst aus?
Die Linguistin Dr. Saskia Kersten hat sich eingehend mit „Chunks“ beschäftigt. Ihr Vortrag „Chunky Language – Sprache als Setzkasten?“ findet am Dienstag, den 15.01.2019 um 16:15 Uhr, im Senatsaal der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (Schlossplatz 2) statt.
Presse
Beitrag vom studentischen HörfunksenderRadio Q über die Linkon:
Pressebeitrag in der Print-Ausgabe der Westfälischen Nachrichten
erschienen am 09.01.2019 auf der Seite 8 in der Rubrik Münster Hochschulen
Veranstaltungs-Nachbericht
von Lena Lutterbeck und Philipp Kappenstein
Ein halbes Jahr Vorbereitung, zwei aufregende Kongress-Tage und 20 interessante Fachvorträge – dahinter steckt der studentische Nachwuchskongress [linkon], der in diesem Jahr bereits zum vierten Mal von Studierenden des Masterstudiengangs Angewandte Sprachwissenschaft organisiert und durchgeführt wurde. Bereits der Auftakt der Veranstaltung war vielversprechend, denn sie wurde durch einen Vortrag zum brisanten Thema „Sprache und Feminismus“ eröffnet. Im Anschluss folgte eine sehr angeregte Diskussion zwischen Studierenden, Lehrenden und Besuchern, da das Thema vor allem durch die gegenwärtige Gender-Debatte und den Kampf um eine geschlechtergerechte Sprache einen sehr aktuellen Bezug aufweist. Auch die nachfolgenden Vorträge, die das Themenspektrum Sprache und Ideologie, Sprache in den Medien, Spracherwerb, Kognitive Linguistik und Computerlinguistik abgedeckt haben, bewegten sich auf hohem Niveau und regten zu kritischem Austausch an. [linkon] 4 war rundherum eine gelungene Veranstaltung: „Die viele Arbeit hat sich auf jeden Fall gelohnt. Ich glaube, ich spreche im Namen aller, wenn ich sage, dass wir wirklich stolz auf uns sind“, erzählt eine Studentin erleichtert.
Wie der Titel der Keynote bereits im Vorfeld andeutete, setzte sich Dr. Saskia Kersten von der Universität Heartfordshire in ihrem Vortrag mit sogenannten „Chunks“ auseinander. Chunks seien laut ihrer These vorgefertigte Elemente, die Alltagssprache sowie die Sprache der Wissenschaft nachweislich und unweigerlich beeinflussten. Es benötige viel sprachliche Kompetenz, um floskelartige Wortverbindungen identifizieren zu können. Sprache im Setzkasten-Format kennzeichne sich daher bspw. durch die Verletzung phonologischer, syntaktischer und morphologischer Regeln. Hierbei wurde besonders deutlich, dass sich die Produktion von Chunks in einer Fremdsprache hochanspruchsvoll gestaltet, da sich das Erlernen ebenjener gerade durch die Anwendung von Regelhaftigkeiten manifestiert.
Kersten gab hierzu vertiefende Einblicke in unterschiedliche Bereiche (z.B. Sport, Fernsehserien, Zeitschriften usw.), um die Diversität von Redewendungen zu untermauern. Interessant war dabei festzustellen, dass das gemeinsame Auftreten vieler Wortverbindungen auch bestimmten Kontexten zugeordnet werden kann. Schnell kommt in diesem Zusammenhang die Frage nach der Bewertung auf, bei der aus der Perspektive vieler Linguisten gerne Kritik geäußert wird. Kersten wusste ihre offene Haltung gegenüber Chunks nachvollziehbar und transparent zu verteidigen. Es sei ihr klar, dass Standardverwendungen lästig erscheinen könnten. Kognitive Aspekte seien nicht zu verdenken, weil das bloße Rezipieren von vorgefertigten Elementen weniger Gehirnkapazität beanspruche. Somit sei die Konzentration auf mehrere Dinge gleichzeitig möglich. Bei der Diskussion um den Stil tat sich die Schnittstelle mit der Psycholinguistik besonders hervor. Die Verwendung von Chunks könne einen „gemeinsamen Kanal“ signalisieren, indem die Gesprächspartner die gleichen sprachlichen Ausdrücke benutzten und verstünden. Wenn die einheitliche Grundlage gegeben sei, sei der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Auch in der Politik sei es üblich und effektiv, durch ständiges Wiederholen von Chunks Gedanken zu verfestigen.
Insgesamt gab die eineinhalbstündige Präsentation von Gastrednerin Saskia Kersten professionelle und aufschlussreiche Eindrücke über ein noch vage erforschtes sprachwissenschaftliches Teilgebiet. Es wurde deutlich, dass die Linguistik an der einen oder anderen Stelle selbst noch nach der zutreffenden Einordnung von klischeebesetzter Sprache sucht. Auch deshalb bleibt das Gelernte für die Zukunft sicherlich nicht „der Weisheit letzter Schluss“.