IKON. Bild + Theologie
Vorwort der Herausgeber
In der Vorstellungswelt der christlichen Religion spielen die Bilder eine wesentliche Rolle. Kirchenräume sind in Malerei, Skulptur und Architektur mit bildlichen Anschauungen angefüllt; Bildwerke markieren die Örte der Andacht; neben der Tradition der Texte existiert eine breite Bildüberlieferung, in der das christliche Bekenntnis durch die Jahrhunderte vermittelt wird. Durch seine Bilder hat das Christentum die abendländische Kulturgeschichte maßgeblich geprägt. Bis in die Gegenwart ist die Religion durch sie in der visuellen Kultur präsent.
Der Status der Bilder im Christentum läßt sich nicht auf den eines didaktischen Hilfsmittels oder einer ausschmückenden Dekoration reduzieren. Bildliche Vorstellungen mischen sich in die Interpretation von Glaubensaussagen ein, treten in produktive Auseinandersetzungen mit begrifflich fixierten Erkenntnissen. Im Christentum wird den Bildern eine eigenes Vermögen zugetraut, so daß es lohnt, über ihren Anspruch und ihre Legitimität zu streiten. Nicht eben kontinuierlich wird diese Auseinandersetzung geführt, die aber doch an entscheidenden Wendepunkten der Religionsgeschichte aufflammt: etwa in der Spätantike und mit der Reformation. Noch der Bruch der religiösen Lebenswelt am Beginn der Moderne wird weithin spürbar als eine Erschütterung der christlichen Bildtradition reflektiert.
Für eine Bestandsaufnahme über den Zustand der Religion an der Wende zu einem neuen Jahrhundert ist deshalb die Besinnung auf Funktion und Potential der Bilder unerläßlich. Sie kennzeichnen - in Anknüpfung wie in kritischer Distanzierung - den gegenwärtigen kulturgeschichtlichen Stellenwert des Christentums und reflektieren - nach innen wie nach außen - die Plausibilität seiner Überzeugung. Sie sind deshalb genuiner Gegenstand der Theologie, und sie betreiben zuweilen auch selbst Erörterungen theologischer Fragen in bildlicher Weise.
Die theologische Wissenschaft hat gleichwohl erst in jüngerer Zeit dieses Terrain wieder als ihr ureigenes Aufgabenfeld entdeckt. Mit wachsendem Bewußtsein für das besondere Ausdrucksvermögen der Bilder schärft sich auch deren Wahrnehmung als Quelle und als Medium theologischen Nachdenkens. Die Fragestellungen, die sich daraus ergeben, sind sowohl historischer, als auch systematischer, biblischer und praktischer Art. Sie verbinden die einzelnen Disziplinen der Theologie, in denen die Angelegenheiten von Bild und Kunst lange isoliert und marginal mitverwaltet wurden. Vor allem aber ist auch das Gespräch über die Grenzen der Theologie hinaus erforderlich: Nur in einer produktiven Diskussion mit der Kunstgeschichtsschreibung, der Kunsttheorie, der philosophischen Ästhetik und anderen Kulturwissenschaften lassen sich die anstehenden Aufgaben bearbeiten. Die neue Reihe IKON. Bild und Theologie soll der theologischen Arbeit auf diesem Feld ein die Disziplinen übergreifendes Forum verschaffen, um das Denken und die Diskussion um das Verhältnis von Bild und Theologie voranzubringen.
Köln und Münster, im Dezember 1998
Alex Stock, Reinhard Hoeps